• Nachdem ich glücklich wieder zu Hause angekommen bin, will ich Euch meine Eindrücke nicht vorenthalten.

    Ich war natürlich eine halbe Stunde eher da und konnte so noch einem Orgelschüler zuhören, ein junger Mann der begnadet gut mit dem Instrument zurechtkam. Gut, er spielt seit dem 5. Lebensjahr Klavier, hat 3,5 Jahre Unterricht beim KMD und will Kirchenmusik studieren. Jung müsste man noch mal sein!

    Der KMD ist ein netter Mittdreißiger, übergab mir den Kirchenschlüssel und zog mit seinem Schüler zum Unterricht ab.

    So war ich mit dem Instrument allein.

    Zum Thema Ergonomie: Mir schmerzt jetzt noch mein Halswirbel! Das Hauptwerk befindet sich in der Mitte, so dass man ziemlich weit vorgebeugt spielen muss. Dabei kommen einem die Pedale schon sehr nah (die Leute waren halt früher viel kleiner). Die Obertasten sind ungewöhnlich hoch, so dass man die Füße schon ganz schön heben muss.
    Vom tiefen bis zum hohen C ist es ein gewaltiger Spagat, den ich gerade noch so bewältigen konnte.
    Die Manuale haben eine begrenzten Tonumfang und sind gefühlt etwa eine Oktave höher angeordnet, als erwartet. das schafft eine zusätzliche Verdrehung des Oberkörpers.

    Das Hauptwerk spielt sich sehr schwergängig, wobei die Tasten nachfedern. Ich hatte auch den Eindruck, dass nicht alle Tasten gleich gewichtet waren. das Brustwerk spielte sich dagegen gut.

    Mein Problem war, dass ich zu Hause das Hauptwerk auf das untere Manual gelegt habe und das Brustwerk darüber. So musste ich auch noch die Hände vertauschen. Ich hatte mir zum Glück die Screenshots des virtuellen Spieltisches mit den Registrierungen ausgedruckt und fand das im Original so bestätigt. Damit konnte ich die Registrierungen 1 zu 1 übertragen und musste nicht experimentieren.

    Zum Klang: Im Kirchenschiff klingt die Orgel wunderbar! Am Spieltisch sieht das ganz anders aus. Das Brustwerk hämmert von links und rechts in die Ohren, wogegen man das Hauptwerk nur ungenau über dem Kopf vernimmt. Das erfordert auch erst mal eine Umstellung. Bezüglich des Samplesets kann ich sagen, dass Prof Mayer das sehr gut umgesetzt hat. Die Aufnahmen mit dem Set klingen sogar noch besser als an der Spieltischposition. Ich habe auch Aufnahmen mit meinem Zoom aus dem Kirchenschiff gemacht, die mich allerdings nicht so richtig zufrieden stellen. Man ist halt schon sehr verwöhnt.

    Das im Set verzögerte Ansprechverhalten einiger Bassregister konnte ich am Original nicht so extrem nachvollziehen, allerdings sind einige Pfeifen doch arg verstimmt und der etwas schnarrende Ton (ohne gezogene Zungenregister) war auch im Original vorhanden.

    Summa summarum: die Trost Orgel von OAM spielt sich in der heimischen Kemenate auf einem BDO Tisch wundervoll und klingt wie das Original

  • Hallo Klassikfreund,

    vielen Dank für Deinen ausführlichen Bericht über Deinen Besuch der "Trost"-Orgel in Waltershausen!

    Es ist schon beeindruckend von Dir beschrieben, mit welchen Gegebenheiten sich der Live-Orgel-Spieler herumschlagen muss. Wie gut haben wir Heimorgler es da mit unseren BDO-Spieltischen (und der Tasse Kaffee im Nebenraum!). Trotzdem beneide ich Dich um die Möglichkeit solch ein Instrument real spielen zu dürfen und den direkten Vergleich zum Sample-Set zu haben.

    Wenn Du weitere Orgelbesuche startest, würde ich mich sehr über Deine Berichte freuen!!
    Vielleicht kannst Du Deine auch sprachlich fesselnden Berichte ja mal als Broschüre herausgeben...

    Gruß
    Thomas

    • Offizieller Beitrag

    Lieber Wolfram,

    herzlichen Dank für den ganz tollen Bericht. Das muss ein beeindruckendes Erlebnis gewesen sein, das spürt man auch anhand Deines ganz aktuellen Berichtes, den Du noch am selben Tag verfasst hast. Viele Eindrücke relativieren sich sonst sicher mit der Zeit.

    Zitat

    Mein Problem war, dass ich zu Hause das Hauptwerk auf das untere Manual gelegt habe und das Brustwerk darüber. So musste ich auch noch die Hände vertauschen. Ich hatte mir zum Glück die Screenshots des virtuellen Spieltisches mit den Registrierungen ausgedruckt und fand das im Original so bestätigt. Damit konnte ich die Registrierungen 1 zu 1 übertragen und musste nicht experimentieren.

    Ich nehme stark an, Du hattest zu Hause die Manuale von Brust- und Hauptwerk nicht absichtlich vertauscht?! Vermutlich gibt es im zugehörigen Sampleset keinen Hinweis auf die Originalanordnung. Somit wäre ich vermutlich auch davon ausgegangen, dass ein Brustwerk-Manual weiter oben liegt.

    Zitat

    Zum Klang: Im Kirchenschiff klingt die Orgel wunderbar! Am Spieltisch sieht das ganz anders aus. Das Brustwerk hämmert von links und rechts in die Ohren, wogegen man das Hauptwerk nur ungenau über dem Kopf vernimmt. Das erfordert auch erst mal eine Umstellung. Bezüglich des Samplesets kann ich sagen, dass Prof Mayer das sehr gut umgesetzt hat. Die Aufnahmen mit dem Set klingen sogar noch besser als an der Spieltischposition.

    Das ist sicher ein Problem von vielen schönen (historischen) Orgeln, dass der Organist nur gequälter Knecht ist und vom harmonischen Klangbild nicht arg viel mitbekommt. Wenn man diese Konstellation so 1:1 im Sampleset abbilden würde, hätte sich keiner allzu große Freude daran. Das ist die Kunst des Samplesetherstellers hier ein ausgewogenes virtuelles Abbild zu erschaffen, das gewisse Gefühle an das Original vermitteln kann.

    Zitat

    Ich habe auch Aufnahmen mit meinem Zoom aus dem Kirchenschiff gemacht, die mich allerdings nicht so richtig zufrieden stellen. Man ist halt schon sehr verwöhnt.

    Meinst Du, wir könnten einen kleinen Klangausschnitt davon den Lesern hier zugänglich machen? Hast Du evtl. auch ein Foto der Orgel selbst gemacht?

    Wie war Dein Eindruck vom Hall in der Kirche? Viele bemängeln beim Trost-Set oft die große Direktheit und den relativ geringen Hall. Ist das im Kirchenraum tatsächlich so? oder evtl. auch ein Effekt der Spieltischposition?

    Gruß Michael

  • Hallo Wolfram, ein sehr aussagekräftiger Bericht, den du da geschrieben hast. Hast du noch Informationen zum Orgelzustand, sprich Tastaturen, Manubrien, oder Bemalung des Pfeifenkastens, Pedaltasten etc. ? Mich würde nämlich der optische Gesamteindruck der Orgel interessieren. Vielen Dank...

  • Hallo Michael,

    Die Originalanordnung der Manuale war mir schon bekannt, ich habe mir aber bei der Zuweisung keine Gedanken gemacht, zumal ich nur einen 2-manualigen Spieltisch habe und Oberwerk und Brustwerk auf dem oberen Manual spiele.
    Der Hall ist in der Kirche nicht sehr ausgeprägt, was aber der Klarheit zu Gute kommt. Man hört jede Nuance (aber auch jeden Fehler!)
    Auf meinen Aufnahmen ist der Hall stärker als im Original.

    Ja ich habe Fotos gemacht, weiß aber nicht, wie ich die hier rein stelle (betr. auch die Klangbeispiele).

    Offenbass Die Orgel wurde umfassend restauriert (dazu gibt es im Web Berichte) und soweit ich weiß auf die Originalsubstanz zurückgeführt. Das Pedal geht bis zum D, der Manualumfang ist sehr eingeschränkt (siehe auch Info auf der OAM Seite). Die Pedalabstände entsprechen nicht dem BDO Standard, sind wesentlich weiter angeordnet. Das macht auch das Spiel am Anfang sehr ungenau.

  • Also...alle Achtung, wenn ich die Aufnahme vom Original mit der vom Set vergleiche fällt mir auf, dass der Samplesethersteller dort gute Arbeit geleistet hat. Die Aufnahmen hören sich bis auf Nuancen gleich an...man hört natürlich das Original noch raus.

    • Offizieller Beitrag

    Vielen Dank für diese schönen Eindrücke.
    Das ist ja ungeheuer spannend ! :-thanks:

    Die beiden Aufnahmen reale Orgel und virtuelle Orgel würde ich in etwa so interpretieren:

    Die reale Aufnahme hat sicherlich weiter im Kirchenraum stattgefunden. Hier ist der Anteil des Halls (nicht die Länge!) deutlich höher im Vergleich zum Direktschall an der Orgel. Man hört auch deutlich die störenden Umgebungsgeräusche, die ja unweigerlich vorhanden sind. Eine reale Aufnahme an der Spieltischposition wäre sicher wenig sinnvoll gewesen, da man die einzelnen Werke sonst viel zu unterschiedlich wahrnimmt (siehe oben).

    Bei der virtuellen Orgel (Sampleset von OAM) gibt es meiner Meinung nach auch einen virtuellen Hör-Ort, den es in der Realität kaum geben dürfte. Der Hallanteil ist hier sehr gering, was auf eine wesentlich nähere Aufnahmeposition an der Orgel hindeutet. Hier sind die Lautstärkeverhältnisse der einzelnen Werke zueinander aber in Wirklichkeit derart ungünstig, dass wohl die Pegel zugunsten eines ausgewogenen Klangverhältnisses nachträglich angepasst wurden. Man fühlt sich also virtuell am Spieltisch sitzend, mit einem ausgewogenen Klangbild.

    Natürlich werden in der Regel solche Samples Nachts gemacht, wenn möglichst wenig Störgeräusche aus der Umgebung auftreten. Jeder Ton wird auch mehrfach aufgenommen, um nachträglich das Sample mit den wenigsten Störungen verwenden zu können. Zusätzlich werden alle Samples noch von möglichst vielen Störgeräuschen nachträglich durch Bearbeitung gereinigt. Im Endergebnis hat man dann einen so reinen Klang wie wir das hier in der Demo des Sets wahrnehmen.

    So gesehen ist das Sampleset sogar schon besser als die Originalaufnahme - aber nicht als die Originalorgel (!) - hier macht sonst manch einer schnell einen Denkfehler!

    Es wäre Dir Wolfram, also kaum gelungen eine bessere Originalaufnahme anzufertigen, als Du es getan hast.

  • Zitat

    Original geschrieben von Offenbass

    Hallo Wolfram, ein sehr aussagekräftiger Bericht, den du da geschrieben hast. Hast du noch Informationen zum Orgelzustand, sprich Tastaturen, Manubrien, oder Bemalung des Pfeifenkastens, Pedaltasten etc. ? Mich würde nämlich der optische Gesamteindruck der Orgel interessieren. Vielen Dank...

    Ich kann bei Zeiten Mal nach Fotos suchen aus Waltershausen.
    Zu meinen Thüringer Zeiten habe ich die Orgel oft besucht und zwei, drei Konzerte dort gespielt.
    Die Reise ist es immer wert und der Kontakt vor Ort mit Theophil Heinke immer angenehm unkompliziert.
    Das Instrument besitzt diese ganz besondere thüringische dunkle Farbe im Klang.
    Trios sind allerdings tatsächlich eine Herausforderung vor Ort, da hilft nur gut einspielen.

  • So ich habe noch ein paar alte Fotos gefunden, die leider nur mit dem Handy gemacht sind.
    Aber ich denke, dass es einen Eindruck geben könnte.

    liebe grüße,

    homunculus