Klangabstrahlung für virtuelle Orgeln

    • Offizieller Beitrag

    Häufig taucht die folgende, bzw. so ähnliche Frage bei vielen Anwendern einer virtuellen Orgel auf:

    [navy]"Welches ist die beste Abstrahlung für eine virtuelle Orgel mit Hauptwerk oder GrandOrgue?"[/navy]


    [red]Man muss aber dann zuerst unterscheiden, was man eigentlich mit der Abstrahlung erreichen will !![/red]


    [red]1.[/red] Entweder eine möglichst exakte akustische Reproduktion des aufgenommenen Audiosignals:

    Das gelingt eigentlich nur sinnvoll mit einem guten Kopfhörer oder eingeschränkt auch noch über gute Lautsprecher in einem weitestgehend schalltoten Raum. Näherungsweise gelingt es noch über Nahfeldhören, indem man versucht die Einflüsse des Hörraums wenigstens relativ gesehen zu minimieren. Das sind die einzigen Möglichkeiten die wir haben, ein Sampleset weitestgehend mit den Rauminformationen des original Kirchenraumes zu hören.
    Sobald der Raum in Form von üblichen Direktstrahlern, oder auch Rundum- oder sonstwie Diffus-Strahlern mit angeregt wird, gelingt das eben nicht mehr - auch nicht mehr näherungsweise, sondern höchstens noch ganz entfernt!! Eine Beschallung von mehr als einer Person ist in diesem Fall eben nur mit völlig getrennten Abstrahlungen pro Person möglich.

    oder

    [red]2.[/red] Eine Wiedergabe des aufgenommenen Audiosignals die nur als Basis für die Gestaltung eines Klangbildes nach eigenem Gutdünken dient.

    Sobald die Akustik des Abhörraums mit einbezogen wird, verabschieden wir uns vom Originalklang des Audiosignals recht deutlich - darüber sollte man sich klar sein :!:
    D.h. die Verwendung üblicher Lautsprecher (Direktstrahler) nicht im Nahfeldbereich sondern zur Raumbeschallung und / oder Rundstrahler bzw. Diffusstrahler kann nur bestenfalls zu einem Klangbild führen, dass uns an den Klang einer Kirchenorgel erinnert, evtl. sogar an die Orgel deren Name auf dem Sampleset steht - oder aber eben auch nicht. Hier kann man natürlich der Phantasie freien Lauf lassen und sämtliche Abstrahlsysteme nach Lust und Geldbeutel frei mischen. Wenn man es sinnvoll anstellt, dann kommt ein schöner Klang dabei herüber, der auch von mehreren Personen gleichzeitig genossen werden kann. Wenn man weniger Ahnung von der Materie hat, dann wird es wie bei den meisten von uns eben eher bescheiden bis durchschnittlich klingen.

    [hr]
    [navy]"Bringt ein Rundstrahllautsprecher nicht große Vorteile gegenüber einem Direktstrahler? Manche Anwender schwören doch scheinbar darauf ?"[/navy]

    Meines Erachtens eignet sich die diffuse Abstrahlung mit Rundstrahlern o.ä. am ehesten bei großen, sehr schallharten Räumen - da bleibt unter Umständen kaum eine andere Wahl, wenn man mehrere Personen gleichzeitig beschallen möchte. Nach meinen Erfahrungen ist es aber dann recht belanglos, ob man übertrieben teure Rundstrahler verwendet um den Klang über die Wände zu verteilen, oder einfach sehr gute Direktstrahler gegen eine Raumecke oder gegen die Decke richtet. Es entstehen so oder so letztlich unkontrollierbare Reflexionen und Interferenzen ohne Ende. Es lohnt sich aber in beiden Fällen doch sehr mit der Aufstellung zu experimentieren.

    [hr]
    [navy]"Kann es denn Interferenzen geben, wenn man mehrere Lautsprecher verwendet und diese mit dem selben oder ähnlichen Signal betrieben werden ?"[/navy]

    Ja es gibt dann Auslöschungen von verschiedenen Frequenzen sowie Pegelerhöhungen von anderen Frequenzen, was dann zu einem unausgeglichenen Klangbild führt und die räumliche Ortbarkeit erschwert - ganz besonders tritt das bei Rundstrahlern auf! Deren Schallwellen werden ringsum an Wänden und Gegenständen reflektiert und dabei entstehen nahezu unendlich viele Interferenzen. Deshalb ist hier eine räumliche Ortung von Schallereignissen die in der Originalaufnahme enthalten sind praktisch nicht mehr möglich. Diese Ortung kann man dann durch zusätzliche Direktstrahler wieder ein klein wenig herbeiholen.

    • Offizieller Beitrag

    [navy]"Manche Musiker sind aber doch sehr überrascht, wenn sie ihre teuren Lautsprecher gegen Rundstrahler tauschen"[/navy]

    Im Grunde hat jeder Lautsprecher wieder ein anderes Klangbild, das hatte ich ja beim Test der vielen verschiedenen Nahfeldmonitore schon deutlich zum Ausdruck gebracht. siehe diesen Thread hier Insofern ist es schon gut möglich, dass alleine durch Tausch der einen Lautsprecher gegen andere ein Klang angenehmer empfunden werden kann. Dies muss nicht ursächlich mit dem Wechsel von Direktstrahlern zu Rundstrahlern zusammenhängen.

    Es kann aber im Falle von Musikern z.B. auch gut sein, dass eine teure PA-Abstrahlung in z.B. einer Betonhalle schrecklich klingt, während eine diffuse Abstrahlung, sei es mit Rundstrahlern oder auf andere Art hier eine viel bessere Klangverträglichkeit bewirkt - das würde mich auch gar nicht wundern.

    Aber Musiker sind Leute, die aktiv Musik machen und den Klang selber gestalten, nach eigenem Gutdünken. Diese Anwendung entspricht also dem 2. Fall den ich im vorigen Beitrag beschrieben habe. Auf einen Organisten übertragen bedeutet das, das wichtige ist zunächst die Musik die man macht und danach erst das Instrument. Der Klang sollte sich am Besten nach dem Vorstellungsideal des Organisten richten. Ob das dann eine Silbermann oder eine Schnitger Orgel ist, das ist zunächst zweitrangig. Der Organist wird die auswählen die seinem Klangideal eben am nächsten kommt - sofern er die Wahl hat.
    Wer eine virtuelle Orgel in der Art betreiben möchte, der wird wohl mit einer Raumbeschallung direkt oder auch indirekt (diffus) eher glücklich werden als mit Kopfhörer oder Nahfeldmonitor. Derjenige benötigt auch nicht unbedingt mehrere Samplesets von diversen historischen Orgeln. Es genügen ihm ein oder zwei Stück und er macht dann einfach damit Musik.

    Anders der Orgelliebhaber, der auch selber spielt, aber in der virtuellen Orgel die Möglichkeit sieht, endlich einmal den Klang von etlichen historischen Orgeln sogar im heimischen Wohnzimmer für sich genießen zu können. Er macht in diesem Moment die Musik meist eher für sich selbst um in virtuelle Orgelklangwelten von Originalvorbildern zu versinken. Für ihn ist der gute Kopfhörer oder Nahfeldmonitor das, was er wirklich zum Glück braucht. Eine Raumbeschallung wird ihn nie richtig zufrieden stellen, sei sie auch noch so teuer, da hier der Originalklang der Aufnahme eben grundsätzlich mehr oder weniger verfälscht bzw. verschlechtert wahrgenommen wird. Diese Anwendung entspricht dem 1. Fall den ich im vorigen Beitrag beschrieben habe.

    [navy]" Was soll man also nun sagen? Welches ist die "bessere" Abstrahlung?"[/navy]

    [red]" So kann man die Frage eben schon gar nicht stellen !! "[/red]

    Es handelt sich einfach um zwei grundverschiedene Abstrahltypen, die jeweils nur für die eine oder die andere Gruppe der Anwender einer virtuellen Orgel geeignet sind. Die jeweils andere Gruppe wird mit der falschen Abstrahlphilosophie wohl immer unglücklich werden.

    [hr]

    Ich selbst benutze immer alternativ mehrere Abstrahlvarianten. Das richtet sich bei mir auch nach dem Sampleset:

    1. Ein Set mit viel Rauminformation ist meist am Besten mit Kopfhörer oder Nahfeldmonitor zu gebrauchen. Dazu zähle ich z.B. Menesterol wet, Rotterdam wet, Utrecht, Ebersmünster, Riddagshausen und dergleichen (sicher auch noch ein Großteil der OAM-Sets trotz weniger langem Nachhall - ich kenne aber nicht alle davon)

    Meine persönlichen Abstrahlsysteme bestehen hier aus Kopfhörern AKG K701 und K540, Beyerdynamic DT880 und fürs Nahfeldhören verwende ich ein Paar Tannoy-Lautsprecher mit dem berühmten Dual-concentric-Chassis, was mir eine bisher unerreichte räumliche Auflösung beschert. An einem kleinen System auch ein Paar JBL Control One, die für den Preis erstaunlich gut zu gebrauchen sind, wenn man die Frontabdeckung weglässt.


    2. Ein Set mit wenig Rauminformation lässt sich auch sehr gut als Grundlage für die eigene Klanggestaltung und mit Raumbeschallung nutzen. Dazu zähle ich z.B. Menesterol moist oder dry, Anloo, Zöblitz, Rotterdam dry, Zwolle gerade noch, Haverhill usw. (Grundsätzlich auch vermutl. alle Dry-Sets)

    Für diesen Anwendungsfall benutze ich meistens die recht preiswerte 10.1 Abstrahlung mit mehreren Heco-Victa Boxen und einem Canton-Subwoofer, wie ich es schon an anderen Stellen im Forum teilweise beschrieben hatte. Jedes Teil-Werk der Orgel läuft dabei über ein Paar Victas getrennt. Das Rückpositiv steht dabei sogar auch hinter der Orgelbank und strahlt nach vorn. Der zusätzliche Hallanteil einer externen Verhallung oder alternativ der Diffusschallanteil läuft bei mir separat über 2 Paar Lautsprecher (Direktstrahler), die jeweils an gegenüberliegenden Wänden kurz unterhalb der Deckenhöhe aufgehängt sind. Die Position habe ich aus Versuchen ermittelt und kann bei einem anderen Raum auch woanders günstiger sein. Verschiedene Rundstrahler-Systeme brachten diesbezüglich überhaupt keinen Vorteil. Testweise habe ich auch aus den selben Chassis Direktstrahler und Rundstrahler gebaut, um die Chassis-bedingten Klangunterschiede bei den Tests zu umgehen. Es gab absolut keinen grundsätzlich hörbaren Unterschied, außer die jeweilige Aufstellungsposition macht sich stark bemerkbar, aber sowohl bei Rundstrahler, als auch bei Direktstrahler zur Diffusstrahlung über Wände und Decken.

    [red]Also prüfe jeder Anwender einer virtuellen Orgel selbst, ob er die für seinen Anwendungsfall geeignete Abstrahlung besitzt, oder ob er evtl. auch wie ich, eigentlich mindestens zwei unterschiedliche Abstrahlvarianten benötigen würde ![/red]

    Gruß Michael