08. Nov 2013, 04:08 Mikelectric, geschrieben im HW-Forum
Re: Doesburg, Martinikerk Walcker Orgel
Hört doch mal an, wie die Klangvorstellung eines Cantabiles des Meisters selbst auf seiner Homepage ist: http://www.enricopasini.com/
Eine sehr präsente, weil echte, Trompete. Eine romantisch säuselnde Orgel als Begleitung. Warum sollte das mit dem Doesburg-Set denn nicht gehen ?
Ich bin eher etwas arg von der Ladegast enttäuscht! Mit einer so herben, barocken Intonation hätte ich beim besten Willen nicht bei einer romantisch disponierten Orgel gerechnet. Die Register mischen sich auch dementsprechend dort nicht wirklich sonderlich gut. Ich finde kaum ein Stück, dass sich auf einem anderen Set dann nicht doch noch besser anhört.
Das Doesburg-Set halte ich für eines der genialsten Sets überhaupt, die derzeit erhältlich sind. Die Orgel ist eben ganz anders, als alle Orgeln die es bisher als Sampleset gab. Die Matyas hätte in diese Richtung gehen sollen, ist aber dagegen leider eine klangliche Katastrophe, die ich nun dank Doesburg auch nicht mehr aus der Schublade holen werde.
Walcker Doesburg und ähnliche Orgeln sind nicht primär dazu gedacht, mit ausdrucksstarken Einzelstimmen zu glänzen. Hier liegt eindeutig die Stärke in zu- und abnehmender Klangfülle, Dynamik vom feinsten Gesäusel bis zum Orkan. Und das Set setzt diese Orgel trotz allen technischen und physikalischen Schwierigkeiten doch erstaunlich gut um. Hier ist die Intonation wirklich eine romantische, die Register mischen sich wie selbstverständlich zu neuen Klangnuancen. Trotzdem hat jedes Einzelregister seinen eigenen Klang und kann auch solistisch verwendet werden. Auch eine durchschlagende Zunge ist im Gegensatz zur Ladegast vernünftig verwendbar. Das Qualitätsniveau der Samples ist wirklich zeitgemäß und trotz der großen Akustik ist eine verblüffend gute Transparenz und Direktheit des Klangbildes vorhanden. Was will man denn eigentlich noch mehr??
Wermutstropfen bei dem ganzen ist selbstverständlich der hohe Preis des Sets. Wenn ich jetzt aber nochmal von vorne mit der Auswahl meiner Sets beginnen müsste, so würde ich mir einen Großteil meiner Sets einsparen, weil das alles mit der Doesburg besser zu machen wäre. Zusätzlich noch das eine oder andere gute Barockset - damit wäre ich dann aber ausreichend bedient. Insofern relativiert sich der Anschaffungspreis für so ein großes Set doch sehr - und ist, wenn man den Aufwand dessen betrachtet, sogar durchaus preiswert.
Weiterer Wermutstropfen, zumindest derzeit noch, ist der hohe Speicher- und CPU-Bedarf. Nach meiner bisherigen Einschätzung reicht zur Verwendung mit sämtlichen Optionen inkl. Surround keines der derzeit verfügbaren PC-Systeme wirklich aus. Weder die 6-Core CPU bringt im Extremfall genug Leistung, noch reichen die 64 GB RAM. Aber davon sollte man sich auch nicht zu sehr abschrecken lassen. Auch mit einer guten Quad-Core CPU und 32 GB RAM kann man unwahrscheinlich viel Freude an dem Set haben. Dann eben ohne Surround - wovon ich sowieso kein großer Freund bin - und mit ein paar Optionen weniger - und im Tutti halt etwas weniger hektische Stücke auswählen
Aber die PC-Leistungen werden in absehbarer Zeit wie gewohnt nachrücken.
Bei diesem Set ist der größte Teil der Register auch als Tremulanten-Samples vorhanden - und zwar als vollständige Samples und nicht nur als gesamplete Tremulanten-Waveform wie bei manchem anderen Set, das mit "gesampleten Tremulanten" wirbt. Weiterhin besteht die Mehrzahl der Register aus 73 Pfeifensamples!! Dies ist notwendig, um auch bei den Super-Koppeln noch den vollen Tonumfang von 5 Oktaven (61 Tasten) im gekoppelten Manual ungeschmälert hörbar zu machen. Das hat das Original auch so. Tremulantensamples und Tonumfang von insgesamt 6 Oktaven stehen natürlich genauso in den Surround-Samples zur Verfügung.
Dies erklärt dann auch den immensen Speicherbedarf gegenüber manchem Barockset mit kaum mehr als 4 Oktaven Klaviaturumfang.
Das Demo-Set kann leider m.E. nicht mal ansatzweise ein Gefühl für die erstaunlichen Fähigkeiten dieser Orgel vermitteln. Mit den wenigen Registern ist das einfach kaum möglich zu vermitteln. Der unbedarfte Tester nimmt mehr die Einzelregister in Augenschein und ist verständlicherweise etwas enttäuscht, was das alles wohl soll.
Der Dynamikumfang des Sets erfordert allerdings eine Abstrahlung, die es auch kaum gibt. Hier kommt schnell wieder der Wunsch nach einer einstellbaren Dynamik-Kompression auf, über die wir hier früher schon einmal diskutiert hatten. Dreht man die Lautstärke gerade so weit auf, dass man die Harmonika solo noch wahrnehmen kann, dann bersten beim Tutti unweigerlich die Fenster. Stellt man das Tutti auf gerade noch erträglich, dann hört man von der Harmonika eigentlich überhaupt nichts mehr. Mit Kopfhörer ist das etwas besser, aber man kommt trotzdem nicht um eine Anpassung herum - oder dreht eben so ganz nebenbei mal am Verstärker die Lautstärke hoch und runter.
Weiter will ich von dem Set jetzt aber auch nicht mehr schwärmen, da es sich wohl trotzdem nicht jeder kaufen will / leisten kann.
Gruß Michael