Die meisten wissen es ja, ich arbeite in einer evangelischen Kirchengemeinde. Neben diversen Tätigkeiten wie Hausmeister, Küster, Bürokraft, Orgelspieler und Mädchen für alles mache ich ja auch die Kirchenöffnungen. Wenn dann alle Arbeiten erledigt sind, dann ist meine Aufgabe die Kirche offen zu halten und für Fragen bereit zustehen. Da kommt es öfter einmal vor, dass Besucher die scheinbar Mitleid mit mir haben solche Fragen stellen wie ist Ihnen nicht kalt und so weiter. Aber besonders interessant sind diese Fragen ob es mir nicht langweilig ist.
Auf den Besucher mag das in der Tat langweilig wirken wenn ich dort nach getaner Arbeit noch eine Stunde einfach so auf der Bank sitze und den Raum beobachte. Aber Langeweile empfinde ich dabei nicht. Ich sehe es aber tatsächlich oft, dass Personen die ruhig werden plötzlich Langeweile empfinden. Was ist Langeweile überhaupt? Im Grunde nimmt man dabei an, dass sein eigenes tun gerade nicht wichtig ist. Langeweile ist etwas, was in einem selbst entsteht. Vermutlich in dem Moment wo man dem was man gerade tut keine Wichtigkeit zumisst oder den Glauben hat, dass man etwas macht, was nicht sinnvoll ist. Aber wie könnte es nun nicht sinnvoll sein was ich dort mache? Ich bin ja in dem Moment da und stehe bei Fragen zur Verfügung, wie könnte mir das nun langweilig sein? Wenn ich Zuhause am Fernseher sitze, dann wäre meine Tätigkeit gefühlt für andere nicht langweilig, aber wäre es auch eine Sache die sinnvoll wäre?
Wir leben in einer Zeit wo ständig alles anhand von Leistung bewertet wird, wir sind ständig getrieben und müssen etwas erledigen, oder glauben dies zumindest. Für mich ist das sitzen auf einer Kirchenbank nicht langweilig, es ist genau das Gegenteil. Ich selbst weiß wie wichtig meine Anwesenheit in diesem Moment ist, zum einen um den Besuchern zur Verfügung zu stehen, zum anderen um Sorge dafür zu tragen, dass kein Unsinn in den Gebäuden getrieben wird. Gleichzeitig erkenne ich den unschätzbaren Wert davon auch einmal nichts tun zu müssen und einfach mal beobachten zu können.
Am Anfang musste ich das auch erst lernen. Stille und Ruhe können doch so laut und unruhig sein. Ich selbst habe Beschäftigung auch gerne dazu genutzt um mich abzulenken, meist um von mir selbst zu fliehen. Stille und Ruhe ist so viel schwerer zu ertragen als die Hektik und der Trubel, welcher eigene Gedanken gerne verdrängen. Vor allem dann wenn einen Dinge dann einholen vor denen man die ganze Zeit weg gelaufen ist. Stellt man sich dieser Situation jedoch, dann kann man danach in Ruhe die Ruhe genießen.
Früher wollte ich auch immer besser sein und mehr leisten, aber die Arbeit in einer Kirche entschleunigt doch sehr stark. Während eine professionelle Reinigungskraft im Akkord durch die Räume stürmt um möglichst viel Fläche in möglichst kurzer Zeit abzuarbeiten, da kann ich mir den Luxus gönnen meine ganze Aufmerksamkeit auf meine Tätigkeit zu legen. Mein Anspruch ist es beim reinigen der Gebäude dies möglichst gründlich zu tun und nicht möglichst schnell. Wenn ich dann eben vier Stunden mit dem Staubsauger die Spinnweben an Bänken und Inventar entferne, dann ist das eben so. Ich mache dies ja nicht für den Profit meines Reinigungsunternehmen welches immer mehr schaffen will bei gleichen Einsatz, sondern ich mache es weil ich möchte, dass sich die Besucher und Gemeinde im Gebäude wohlfühlen. Wie könnte da also Langeweile aufkommen? Egal ob ich nun 8 Stunden am Tag den Staubsauger bewege, Liederzettel falte oder einfach nur Aufsicht mache, es dient ja einem Zweck. Wenn auch nur eine Sekunde meiner Zeit dazu dient um einem anderen eine angenehme Zeit zu verschaffen, dann habe ich doch alles richtig gemacht. Wenn die Besucher durch das Gebäude gehen und sich darüber erfreuen, dann bestätigt mich dies viel mehr als eine Prämie weil ich zwei Bänke pro zehn Minuten mehr geschafft habe. Wenn eine Gruppe nach einem Besuch sagt, dass es ihnen gefallen hat, dann ist das viel mehr wert als ein Bonus für mehr Leistung.
Ja in einer Kirchengemeinde laufen die Uhren anders und man wird nicht bewertet anhand bestimmter Leistungsparameter, sondern dadurch, dass man etwas für das Gemeinwohl getan hat. Zugegeben war es am Anfang für mich auch schwer eine gewissen Bescheidenheit zu lernen und nicht im Mittelpunkt zu stehen. Aber auch wenn ich im Gegensatz zu anderen in der Gemeinde nicht im Mittelpunkt stehe weiß ich und alle anderen wie wichtig mein Beitrag ist. Er ist nicht weniger oder mehr wichtig als der Beitrag jedes anderen.