Weihnachten heute (?)

  • Don Alphonso hat in den Drunterkommentaren ausdrücklich die Genehmigung erteilt, seinen Weihnachtsbrief zu kopieren.

    Sprachlich und hinterfotzig (wie die Bayern sagen) ein Juwel :)


    Kein Vergeben, kein Vergessen. Keine woken Kinder, kein Geschrei

    Von Don Alphonso

    Autor


    Tante Gitti schlägt zurück: Warum weihnachtliche Forderungen nach Gemüsetartelettes, Emotional-Support-Palästinensern, Ausschluss von rechten Verwandten und Verzicht auf weiße Überlegenheit sehr wohl mit ehrlicher Ausladung der Woken beantwortet werden darf.


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    Je höher ein Mensch steht, auf desto mehr Dinge muss er verzichten, liebe, allerliebste Alicia-Sophie, hat der portugiesische Dichter Fernando Pessoa einst erkannt, und in diesem Sinne haben wir uns nun im Familienrat zusammengesetzt und uns mit Deiner Mail aus dem schönen Elbstädtchen Hamburg an uns Zurückgebliebene in den verschneiten Tälern beschäftigt. Zuerst einmal möchten wir uns bedanken, dass Du Dir die sicher belastende Mühe gemacht hast, uns 2023 nach den Missverständnissen des letzten Jahres Deine Wünsche für den Jahresausklang in ganzen Sätzen und in einer Mail zukommen zu lassen, und nicht nur in wenigen Worten wie 2022 auf WhatsApp, die wir damals – natürlich war es unsere Schuld – leider übersehen oder nicht mit der nötigen Achtsamkeit behandelt haben. Selbstverständlich haben wir alle – Deine Eltern, Deine Geschwister, Tante Gitti, Onkel Dieter usw. usf. – daher auch das Jahr genützt, uns mit den Beiträgen Deines Hamburger Mediums zu beschäftigen, von denen wir annehmen, dass sie ihre moralische Verstrahlkraft nicht durch die Verwerfungen der letzten Woche verloren haben. Wie können die miesen und empathielosen Kapitalisten des Verlags nur glauben, auf Deine erstklassige und ethisch absolut überzeugenden Artikel verzichten zu können. Quelle horreur!


    Wir könnten Dir hier bei uns natürlich allerlei Arten von Kurzweil anbieten, um die schwierigen und von Ungerechtigkeit geprägten Tage zu vergessen: Im Gegensatz zu den Ankündigungen in Deinem Medium hat es bei uns nämlich auch weiterhin trotz fraglos echter Klimakatastrophe Schnee in enormen Mengen, die Loipen sind gespurt und auf den Pisten herrscht reger Betrieb. Und natürlich haben wir uns fest vorgenommen, dieses Mal die Feiertage für alle auskömmlich und angenehm zu gestalten, über die Differenzen, sie auch in besten Kreisen vorkommen, hinwegzusehen. Wir möchten das Verbindende in den Vordergrund zu stellen. Das ist wichtig in dieser unserer Zeit, da sich das Land verändert und auch Onkel Dieter in Leipzig dank des Wirkens von Frau Baerbock mit eingeflogenen Afghanen in seinem Naziland – so hast Du den Osten 2022 noch genannt – verbunden wird.


    beim Thema Deines Schreibens: Dieter und Gitti haben angesichts der weißen Pracht draußen durchaus recht, durch den Thüringer Wald mit dem alten Diesel anzureisen. Und nein, sie haben immer noch keinen Tesla, und sie fahren auch nicht umweltfreundlich mit der Bahn. Dafür bringen sie als Zeichen des familiären Zusammenhalts auch wieder Thüringer Schmuck für diese Jahresendfeiertage mit. Sie verzichten – versprochen! – dabei wohlweislich auf jeden Bezug zu der hierzulande typischen Religion, die Du in Deinem Medium als Beihelfer der kolonialen Unterdrückung bezeichnet hast, weshalb sich hier niemand beschweren sollte, wenn nun auch Palästinenser auf ihre unveräußerlichen Menschenrechte im eigenen Land bestehen. So ist das eben mit der Toleranz.


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    Umgekehrt heißt das, dass wir Dich unter den gegebenen Umständen leider, leider bitten müssten, von Deiner ultimativen Forderung „Ich oder diese braune Pest“ in Bezug auf Dieter und Gitti abzurücken. Es ist nicht mehr möglich, sie jetzt noch unter einem Vorwand auszuladen. Wir möchten zu bedenken geben, dass Dieter sich mit seiner Mitgliedschaft in der FDP als Vertreter bürgerlicher Interessen sieht, und Gitti letztes Jahr die Frage, wer das alles mit den Migranten bezahlt, ganz nüchtern und ohne jeden rassistischen Hintergedanken gemeint hat. Eine Antwort im Sinne von „Sie werden die Kosten langfristig in unserem Sozialsystem selbst erarbeiten, das beweist bezahlte Studie X von unbestechlichem Wissenschaftler Y“, hätte sicher mehr zum Verständnis beigetragen als … ach, na ja, Du weißt es ja selbst, und wir sind da absolut nicht nachtragend. Schöne Grüße übrigens von Gitti und Dieter, Dein Cousin Anton kann eh nicht kommen, der feiert daheim in seinem neuen Haus, das er fertig gebaut hat, mit seiner Irmi und den drei Kindern … ach so, ja richtig, wenn wir gerade beim Thema sind, die ausstehende Miete haben jetzt wir bezahlt, nachdem Dein Vermieter uns auf die Bürgschaft hingewiesen hat. Du musst keine Angst mehr vor der Zwangsräumung haben. Was uns hier umtreibt, und wir hoffen, wir sind nicht zu indiskret, aber: Machst Du noch die Briefpost auf? Bist Du eigentlich noch krankenversichert?


    Als Rechtsanwalt könnte Dieter Dir auch Tipps im Umgang mit ausstehenden Forderungen und den ganzen Anträgen geben, die nun wegen der Situation auszufüllen sind. Wir hoffen natürlich, dass Du schnell wieder eine Position findest, die Deinen Talenten, Deiner Haltung und Deinen Ansprüchen gerecht wird. Der neue Arbeitgeber sollte mit einer Kantine versehen sein, die endlich Strafpunkte für Fleischfresser umsetzt, statt Leute zu entlassen, die sich völlig zurecht über die falsche Hafermilchmarke empören. Das war ein großartiger Artikel, dieser „Bestrafung ist die ultimative Form von Freiheit“-Text! Wir sind im Konzertverein ständig darauf angesprochen worden, schließlich wissen hier alle, dass das Vermögen von Deinem Urgroßvater Hubert als Viehhändler und Schwarzschlachter erwirtschaftet wurde, gerade nach 45 in der schlechten Zeit mit seinen Kontakten zu alten, echten Parteigenossen und nicht nur FDPlern. Die ganze Stadt sieht nun die Entwicklung zu höherer Moral, wir waren wochenlang in aller Munde. Wie auch immer, es hilft nichts: Die Idee mit den vegan-alternativlosen Gemüsetartelletes für alle zu Weihnachten, die Du in der „Zeit“ gefunden hast und nun ultimativ als Forderung in die familiäre Küche unterbreitest, ist sicher famos! Für das Jahresende 2024 vielleicht! Aber Deine Mutter und Tante Gitti haben schon am 1. Dezember in der üblichen Voraussicht mit den Planungen begonnen und die Tiefkühltruhe bis unter den Rand gefüllt. Natürlich sind für Dich, unser Herz, auch vegane Köstlichkeiten dabei. Fleischfondue machen wir nach dem Zimmerbrand von 2019 eh keines mehr, und Gitti wird dieses Jahr deshalb auch nicht nachtreten, das hat sie ganz fest versprochen. Wir alle wollen harmonische Tage.

  • Also keine Sorgen, liebe Alicia, und selbst, wenn Du jetzt die Augen wegen uns Tiermördern verdrehst – wir haben Mittel und Wege, das zu übersehen. Auch für Deinen Vorschlag eines Gebetes für die Erde könnten wir eine allen Interessen entsprechende Lösung finden, weil Dieter und Gitti und Herbert und Hannelore und Klaus und Aloisia ohnehin im Wohnzimmer mit der Carrerabahn beschäftigt sein werden. Herbert würde extra für Dich sogar bei einem Auto das Chassis entfernen und ein Lastenrad drauf kleben! Also das war zumindest seine Idee, bevor Deine Mail zu uns gekommen ist. Insofern würden wir unter normalen Umständen schon darauf hoffen, dass Du ein wenig von dem Verlangen, wir müssten von den in Deinen Augen schmutzigen Feiertagstraditionen Abstand nehmen, abrücken könntest. Es ist für die Kinder, es ist völlig harmlos, und wir haben jetzt auch einen Ökostromtarif! Das werden grüne Festtage. Überhaupt, wegen Tradition, wenn Du wüsstest, was Urgroßvater früher mit dem Julleuchter alles getan hat und wie der auf den amerikanischen und britischen Imperialismus geschimpft hat … wir haben uns in Inhalt und Tonfall übrigens sehr an manchen antikapitalistischen Beiträgen bei Euch im Medium erinnert gefühlt.


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    Vor diesem Hintergrund bitten wir auch um Nachsicht, wenn wir Deinem Wunsch, den alten Schmodder endlich wegzuwerfen und ein schlichtes Geschirr zu kaufen, das man auch bei Insta zeigen kann, leider nicht entsprechen können. Das Limoges ist jetzt seit dem Westfeldzug 1940 in der Familie, und nachhaltiger kann es wirklich nicht sein. Nicht jede Erinnerung daran ist schön, das steht außer Frage. Aber Du hättest 2021 ja auch nicht zu den Feiertagen in Deinem Medium die alte Geschichte auswalzen müssen, wie wir das bekommen haben und dass Du nicht glauben willst, dass es aus einem zerbombten Haus gerettet wurde. Niemand sieht sich gern öffentlich als Kriegsgewinnler dargestellt, das Silberbesteck haben die Vorfahren wirklich 1937 bei einer legalen Auktion gekauft, und nun ist es halt da. Wir schaffen das! Die Rheinmetallaktien, wenn wir schon von alten Kostbarkeiten sprechen, sind übrigens immer noch in Deinem Depot. Nach zwei Stunden ist es ohnehin vorbei, und niemand verlangt von Dir, dass Du nachher beim Abwasch hilfst oder noch in die Kirche gehst. Es wird ein schlichtes Familienfest ohne alle Bekenntnisse oder Glaubensregeln oder so etwas.


    Schließlich befinden wir uns, wie Du ganz richtig in Deinem großen Essay zum Niedergang der fossilen Industrie geschrieben hast, in einer alle Bereiche umfassenden Transformationsgesellschaft, die das Alte hinwegfegt, und damals konnte auch niemand ahnen, dass es Deine Redaktion genauso treffen wird. Tante Gitti meint, das hätte es damals in der DDR nicht gegeben, da hat sich die Regierung noch rührend um das Wohlergehen ihrer publizistischen Mitarbeiter gekümmert. Siehst Du, Schatz, wir sind in dieser schwierigen Zeit alle an Deiner Seite und verstehen die Ungerechtigkeit, die gerade junge Talente einer lebenslangen Festanstellung und einer sicheren Zukunft beraubt. Natürlich sind wir auch entsetzt, dass Du nun über 100 Absagen bekommen hast, obwohl Dein Charakter tadellos ist, und der Empörungssturm gegen das Medium, der von Dir bei Twitter ausging, absolut nachvollziehbar war. Was ist schon eine Bombendrohung gegen den Chefredakteur gegen die zerstörte Karriere einer Autorin mit makelloser Haltung für die Verdammten dieser Erde und der Jugend, der man die Zukunft gestohlen hat? Wir lieben Dich. Im Großen und im Ganzen. Und weil wir Dich lieben, wäre es auch nicht nötig, uns zu sagen, dass Du entweder mit Deinem Emotional-Support-Palästinenser Mehmed von der PFLP kommst. Oder eben gar nicht.


    Wir sind auch gar nicht nachtragend wegen Deiner feministischen und etwas heimatlosen Freundin von 2021, die wir zum Fest schweigend und ohne jede Bemerkung über ihre blauen Haare aufgenommen und beherbergt, und nachher den Dreck weggeräumt haben. Und die sich dann als Kollegin erwies und beim NDR in den „Tagesthemen“ diesen Kommentar vorgelesen hat, bei der hier jeder verstanden hat, wer mit dem impffeindlichen Bodensatz der Gesellschaft gemeint war. Geht es ihr inzwischen mit ihrem Long Covid besser? Jedenfalls würden wir es hier diesmal wirklich gern intim und familiär halten und den Kreis der Eingeladenen begrenzen. Gitti würde im Gegenzug auch darauf verzichten – bitte nicht schreien – den Ryszard und die polnische Verwandtschaft mitzubringen. Außerdem hat Ryszard Deine Wohnung nach der queerfeministischen Party makellos renoviert, die Anastasia hat picobello aufgeräumt. Das musst Du zugeben! Wir müssen wirklich froh sein, solche fähigen Handwerker im Umfeld der Familie zu haben, nachdem ihr Kinder außer Anton ja alle Sozialogie und Politologie studiert habt. Wenn Ihr selbst erst mal Familie habt, könnt Ihr auch dafür sorgen, dass ein nicht binärer Tonkel dabei ist, der das Fest bereichert, wie Du einmal in einem Kommentar geschrieben hast. Aber solange Du zu uns in die verschneiten Täler am Rande der Berge kommst und dafür durchaus nachvollziehbare Bedingungen stellst, wäre es ganz wunderbar, wenn wir das Geschehen zur Konfliktreduktion personell entzerren könnten. Ryszard würde als Elektriker auch Mehmed weder beim Bürgergeld noch beim Familiennachzug helfen können.

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    Also, jetzt schauen wir mal … nein, wir werden „Diesel-Dieter“ und „Klimbim-Gitti“ also nicht ausladen, wir werden nicht allen die Gemüsetartelettes servieren, es wird auch Würste geben, sogar mit Kartoffelsalat, und sie werden nicht aus Deinem bevorzugten Feinkostgeschäft in Eimsbüttel sein, wir werden die Carrerabahn aufstellen und wir wollten zwar Dich einladen, aber sicher nicht uns völlig unbekannte Personen, die sich dann wie dieser Syrer 2016 in Deinen eigenen Worten als sexistisches … ach naja, facta est fabula, egal, jedenfalls: Wir wollen in Ruhe Weihnachten feiern. So, wie es uns nun mal gefällt und ohne das Gefühl, in einem Minenfeld zu balancieren, das uns bei der kleinsten Abweichung von neuen Regeln mitsamt Christbaum um die Ohren fliegt. Einen verachtenswerten Christbaum wie den, über den Dein Kollege dieser Tage geschrieben hat, haben wir übrigens auch schon auf der Terrasse stehen. Wir sind schließlich keine Hamburger Kita. Mag sein, dass er auch für Dich absolut haram ist und Du selbstverständlich davon ausgegangen bist, wir würden auf dieses Symbol der Ausgrenzung anderer Kulturen verzichten. So steht es schließlich dauernd in den Hamburger Medien. Und Deine Kollegen betonen dortselbst, dass es völlig richtig ist, wenn man andere Verwandte einfach nicht sehen und keine Streitereien erdulden will.

  • Wir haben uns hier im Winterwunderland am offenen Kamin länger darüber unterhalten, unsere eigene, weiß-patriarchalische Geschichte hinterfragt, und sind zur Erkenntnis gelangt, dass diese fortschrittliche Publizistenjugend recht haben könnten. Wir alle liefern Gründe, warum es vorne und hinten nicht passt, wir ändern uns auch nicht mehr, wir müssen Deine Forderungen umfassend ablehnen, und möchten Dir daher die Frage stellen, ob es Dir nicht generell recht wäre, wenn Du dieses Jahr in Hamburg mit Deinesgleichen glücklich wirst. Solltest Du nun das Gefühl haben, wir würden Dich ausladen, so können wir nicht umhin zu sagen:

    Ja, Alicia. Wenn das Deine Forderungen sind, lehnen wir sie ab und verzichten dankend auf Deine Anwesenheit.

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    Wir haben ein Jahr all die gnadenlos harten, eiskalten Beiträge von Dir und Deinen Kollegen gelesen, die kein Vergeben und kein Vergessen kennen, und das hat möglicherweise auch auf uns ein wenig abgefärbt. Wenn es nach Dir und Deinen Zero-Covid-Beiträgen zur Impfplicht gegangen wäre, hätten wir jetzt die sechste Dosis intus und würden uns nicht bei Eierlikör, sondern bei FFP2-Masken treffen. Ihr erwartet von uns Anpassung bis zur Aufgabe jeder Identität, und darauf haben wir gerade an – Weihnachten! Ja, wir sagen dieses Wort, und nicht nur Jahresendfest – keine Lust.

    Es gibt doch in Hamburg sicher hübsche Alternativen, Kwanzaa zum Beispiel. Deine Ex-Kollegen werden ihre Zeit doch sicher auch nicht mit den Nazis in der Provinz vergeuden. Macht was draus, macht Euch einen schönen Abend nach Eurer Facon, lasst Euch das liefern, was Euch schmeckt und verbringt die Tage zwischen den Jahren bei denen, die zu Euch im Fetischclub passen. Es ist in Ordnung, Alicia. Wir sind nicht nachtragend und wir machen Euch auch keine Vorwürfe, und wenn Du jetzt trotzdem aus der Wohnung geklagt wirst, nehmen wir Dich auch ohne Bedingungen hier wieder auf. Es ist halt alles ein wenig unglücklich gelaufen, aber gerade deshalb sollte das verbleibende Glück nicht auch noch an einem gezwungenen Fest mit uns scheitern.


    Also, schöne Feiertage in Hamburg am Ganges oder war das die Spree, na egal, jedenfalls Du bist frei, Alicia, wirklich frei von Verpflichtung und Familie, genieß die Zeit ohne Arbeit, sagen Dir

    (Riesenschnörkel)

    Deine Eltern, Dieter, Gitti, und der ganze, Dich aus der Ferne in den verschneiten Bergen liebende und schon leicht vom Rum, Eierlikör und Zuckerschock betäubte Familienrat.

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    P.S.: Wenn es mit dem Journalismus doch nichts mehr wird, meint Onkel Theodor, dass Du jederzeit bei ihm in der Firma anfangen kannst, sie suchen dringend jemand für die Schweinefleischlogistik.