Hybrid-Orgelprojekt

  • Guten Morgen und danke, Rainer. Warst du bei solchen Tätigkeiten in deinem Leben schon oft beteiligt? Magst du mal davon berichten? Würde mich interessieren.

    Meine Vermutung und Erfahrung ist, dass nicht wenige Pfeifenorgeln in sich nicht allzu sehr tonstabil sind. (Darüber würde ich gerne mehr lernen) ?

    Gut, dass Hauptwerk bzw. Samplesets inzwischen Verstimmungsregler haben. Der Effekt erscheint mir immer noch relativ klein in Bezug auf viele reale Verhältnisse.

    :?:


    (Jedenfalls bin ich gespannt auf den Termin mit der Orgelbaufirma......)

    • Offizieller Beitrag

    Gerne.

    Ich habe im Aufbau einiger Pfeifenorgeln mitgearbeitet, selbständig repariert, gepflegt und gestimmt.

    Der langsame Verfall der Auenorgel wäre mir nicht passiert.

    Einmal ist uns im Gottesdienst die Strippe vom Magazinbalg zum Rollenventil gerissen.

    Das Ventil hat geschlossen, der Balg bekam keine Luft. Es spielte nut noch die Elektronik.

    Den abrupten Klangunterschied hätten mal alle von uns erleben sollen. In einem Augenblick kein Schalldruck mehr. Nur noch Lautstärke aus den Lautsprechern.

    Ich hab Tags darauf eine dünne Kunststoffleine aus dem Bootshandel gekauft und eingebaut. Um den richtigen Winddruck zu garantieren hab ich das Maß der alten Strippe übernommen.

    Die Bootsleine tut bis heute ihren Dienst.

    An einer anderen Orgel gab es den Effekt, dass bei Enschalten des Tutti der Akkord in der Stimmung nach unten ging und sich langsam erholte.

    Grund:

    Die Orgel steht hinter dem Altar. Damit das Gebläse nicht zu laut ist hat man es in einem Kasten eingebaut.

    Ohne Ansaugöffnung !!!!!

    Hab eine Öffnung gesägt und alles war in Ordnung.

    Dann hab ich eine Hausorgel aufgebaut und intoniert. Darüber hab ich berichtet.

    In ca 3 bis 4 Jahren werde ich am Einbau einer elektropneumatischen Orgel 2 Manuale + Pedal mit ca 35 Register in ein vorhandenes Gehäuse mitarbeiten. Dann gibt es hier Bericht und Fotos

    Wenn nun die Strippe vom Balg zum Rollventil von einer Umlenkrolle gerutscht ist kann das Ventil offen bleiben. Der Balg bläht sich bis zu seiner mechanischen Grenze auf. Es entsteht ein Überdruck. Ein Ton steht dann zu hoch. Spielt mann einen Akkord sackt der Balg etwas zusammen, der normale Druck durch die Gewichte stellt sich ein. Die Stimmung des Akkordes sinkt und bleibt dann konstant

  • :thumbup::)

    Dann könntest du das hiesige Örgelchen sicher auf Vordermann bringen.....

    Ja, die Akustik ist physikalisch ein höchst spannendes und komplexes Gebiet. Du beschreibst den Unterschied zwischen Schalldruck und Lautstärke. Längsdruck,

    Lautheit (in Sone), eine psychoakustische Größe, die auf den Isophonen des Lautstärkepegels aufbaut......u.v.a. sind weitere Größen....

    (Aber auch Lautheit macht keine Aussage darüber, wie „angenehm“ und/oder „unangenehm“ ein Schallereignis von einer Person individuell wahrgenommen wird. Hierfür sind weitere psychoakustische Parameter wie Schärfe und Rauhigkeit usw. notwendig.

    Lautstärkepegel in Phon und Lautheit in Sone lassen sich ineinander umrechnen, aber nicht in dB als bewertete Schalldruckpegel.)

    Auch hier wüsste ich gerne mehr.

    :?:

  • Meine bisherigen Versuche in Bezug auf geeignete Sets in der kleinen und akustisch unproblematischen Dorfkirche zeigen folgendes:

    1) Ich kann aus ca. 22 Samplesets (Eigenen und Demos) und innerhalb der Sets Register finden und aussuchen, die zur Klangcharakteristik der Pfeifenorgel passen, bzw, sie mit einem 2. Manual sinnvoll ergänzen.

    2) Es eignen sich logischerweise nur Sets mit DIRECT-Kanälen. Das Kürzen von Releases halliger Sets macht den Klang unlebendig und kalt.


    3) Die Sets mit DIRECT-Kanälen scheinen sich jedoch auch dabei ganz wesentlich zu unterscheiden, ob sie direkt an den Pfeifen oder "direkt" aber außerhalb des Pfeifenkastens gesampelt wurden. 

    Die älteren 'extremen' Direct-Samplesets wie Rotterdam Dry, Caen Dry oder auch Altenbruch sind nach meinen Ohren Rohdaten. Sie sind wohl wenig oder nicht gehörrichtig geglättet im obigen Sinne in Bezug auf die Isophonen. (Der Orgelbauer John Boersma hat ein ganzes Buch darüber geschrieben) Es fehlen die vielfältigen Effekte in und um die Pfeifenkästen. Sie sind nach meinen Erleben so nicht für mein Hybrid-Projekt brauchbar.

    Modernere Set mit Direct-Kanälen, die wohl gehörrichtig bearbeitet wurden, haben einen geschlosseneren Klang. Ein Pfeifenkasten ist nun mal extrem wichtig: Man will ja nicht den blökenden oder stechenden einzelnen Pfeifenklang im Ohr, sondern das abgerundetere Ergebnis nach Zusammenfassung von vielen

    Einzelpfeifen.

    Sie enthalten zwar auch minimalen Hall, aber notwendige weitere Raum- und Mischungs- und Beeinflussungsinformationen. Dieser minimale Hall stört nicht, sondern entspricht genau dem Anteil, den ich auf der Orgelbank auch von der Pfeifenorgel wahrnehme.


    Auch hier würde ich eigentlich gerne von Fachleuten über diese Unterschiede mehr erfahren....

    :?:

  • Ich habe in meiner Täglichen Praxis und beim begleiten unseres Orgelsachverständigen in Thüringen auch die Erfahrung gemacht dass die Windanlage oft problematisch ist. Das muss nicht immer ein Defekt oder mangelhafte Wartung sein. Viele Orgeln wurden auch immer mal erweitert und die Windanlage ist einfach nicht dafür dimensioniert und macht dann bei voller Orgel schlapp. Aber was noch viel häufiger vorkommt sind einfach unfachmännisch sanierte Windanlagen. Ich habe schon einige Orgeln gesehen wo einfach mehrere Ausgleichbalge außer betrieb genommen wurden, aus welchen Gründen auch immer, oder Wirbel entstehen durch schlechten Aufbau die den Wind beeinträchtigen.

    Wobei man unterscheiden muss, eine gewisse Schwankung im Wind ist ja normal und abhängig von den gespielten Registern und auch nicht immer zu vermeiden. Aber eine Ferndiagnose kann man da eben nicht machen.

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    • Offizieller Beitrag

    :thumbup::)

    Dann könntest du das hiesige Örgelchen sicher auf Vordermann bringen.....

    Ja, die Akustik ist physikalisch ein höchst spannendes und komplexes Gebiet. Du beschreibst den Unterschied zwischen Schalldruck und Lautstärke. Längsdruck,

    Lautheit (in Sone), eine psychoakustische Größe, die auf den Isophonen des Lautstärkepegels aufbaut......u.v.a. sind weitere Größen....

    (Aber auch Lautheit macht keine Aussage darüber, wie „angenehm“ und/oder „unangenehm“ ein Schallereignis von einer Person individuell wahrgenommen wird

    Das Örgelchen könnte ich grundsätzlich in Ordnung bringen.

    Natürlich wird jeder Klang/Ton unterschiedlich wahrgenommen.

    Mir ging es nur darum den Unterschied zwischen Pfeifen und Lautsprecher grundsätzlich zu beschreiben

  • ..... die Erfahrung gemacht dass die Windanlage oft problematisch ist..

    ......unfachmännisch sanierte Windanlagen. Ich habe schon einige Orgeln gesehen wo einfach mehrere Ausgleichbalge außer betrieb genommen wurden, aus welchen Gründen auch immer, oder Wirbel entstehen durch schlechten Aufbau die den Wind beeinträchtigen......

    Könnte mir denken, dass bei instabilen Wind ab einer bestimmten Grenze eine Stimmung der Orgel gar nicht sinnvoll möglich ist.....

    Vermute nur, dass es trotzdem gemacht wird, weil eine Reparatur der Windanlage möglicherweise problematischer, aufwändiger und damit erheblich teurer ist......

    :?:

  • Ich habe vollsten Respekt für kreative, fachmännische Reparaturen (wie sie früher auch bei Autos oder Fahrrädern verbreitet waren) !

    (Seid mir herzlich willkommen in der schönen Eifel! :))


    ... Ein angehaltener Akkord sollte möglichst nicht vibrieren wenn einige Töne dazu kurz angeschlagen werden.

    Das Gebläse muss soviel Luft nachliefern dass im Tutti ein 10 stimmiger Akkord nicht nach unten detoniert

    Das ist ein einfach zu überprüfendes einleuchtendes Maß. Danke, Rainer.

    (Werde ich in ca. 2 Wochen mit der Orgelbaufirma klären.....)

  • Ein Hauptproblem sind die recht "dummen" Windanlagen. Wenn man schaut wie es funktioniert, dann wird das Problem schnell klar. Ein Motor dreht bei konstanter Drehzahl und bläst so immer die gleiche Menge Luft in die Orgel. Der reagiert also nicht auf die Verhältnisse an der Orgel und dreht eben stur vor sich hin. Wenn nicht gespielt wird, dann muss die Luft irgendwo entweichen was oft nicht geräuschlos passiert und wenn gespielt wird kann vor allem bei dynamischen Stücken der Orgel schnell die Puste ausgehen.

    Moderne Orgeln messen ja an diversen Punkten den Wind und regeln den Motor dynamisch um bei Tutti eben genau so konstant Wind zu erzeugen wie bei einer einzelnen zarten Flöte.

    Das Gebläse muss soviel Luft nachliefern dass im Tutti ein 10 stimmiger Akkord nicht nach unten detoniert

    In welcher Lage sollte der Akkord gespielt werden? Eigentlich würde ich davon ausgehen eine gute Orgel muss mit 12 Tönen in jeder Konstellation zurecht kommen. Zehn Finger und zwei Füße ergeben 12 Töne. Natürlich kann man auch noch mehr spielen, aber nicht wirklich sinnvoll.


    Vermute nur, dass es trotzdem gemacht wird, weil eine Reparatur der Windanlage möglicherweise problematischer, aufwändiger und damit erheblich teurer ist......

    Bei den meisten Orgeln wird man dann um einen kompletten Abbau nicht herumkommen. Die Windanlage ist ja so essentiell das alles darum herum gebaut ist. Leider ist das ganze eben auch sehr anfällig. Natürlich kann man alles gut berechnen, aber mit den Jahren wird eine Orgel ja nicht dichter. Die Ventile schließen nicht mehr so gut und Wind verschwindet, Risse sorgen dafür das Wind schwindet und so weiter. Irgendwann (meist recht schnell) wird es dann eng. Aber man hört es als Laie nicht sofort, meist erst in Extremsituationen. Wenn man es auch beim normalen Choralsatz hört, dann ist es wohl schon zu spät. Und mal ehrlich, wer spielt regelmäßig komplexe 10-12 Stimmige Sätze, also ich bin nicht so scharf auf Selbstbestrafung :)

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    • Offizieller Beitrag

    12 Stimmen im Akkord sind noch besser und tiefere Lagen verstärken den Effekt. Natürlich reicht es nicht, wenn das Gebläse genügend Luft liefert. Der Balg liefert ja zuerst und öffnet das Rollenventil damit vom Gebläse Luft nachströmt. Das Zusammenspiel auch mit dem Druckausgleich an den Windladen ist wichtig.

    Auf keinen Fall schadet es wenn Gebläse und Magazinbalg überdimensioniert sind.

    Da ist schon die Erfahrung des Orgelbauers gefragt. Die anfängliche Frage von Georgy war ja der Tonhöhenunterschied zw. einem Ton und einem nachfolgendem Akkord.

    Der Fehler lässt sich m.E. korrigieren ohne in das Zusammenspiel von Gebläse, Balg und weiteren Druckreglern einzugreifen.

    Bevor ich daran gehen würde sind Gespräche unter genauester Fehlerangabe mit dem Orgelbauer nötig.

  • ❤️lichen Dank für eure Tipps und Überlegungen!

    Ich weiß nun ein kleines Bisschen mehr, was ich die Orgelbaufirma fragen bzw. überprüfen lassen muss.

    Am 7. Juni ist der Termin, aber es kommt wohl eine noch nicht allzu erfahrene Person...(die vor kurzem noch Gesellin war....)

    Falls ihr oder Mitlesende also noch weitere Anregungen bzw. Erfahrungen habt .....gerne...

    :?:

  • Einige Orgeln sind sehr windstößig. Ein angehaltener Akkord sollte möglichst nicht vibrieren wenn einige Töne dazu kurz angeschlagen werden.

    Das Gebläse muss soviel Luft nachliefern dass im Tutti ein 10 stimmiger Akkord nicht nach unten detoniert

    Bei unserer Orgel (1860) wurde bei der Restauration in den Windkanal etwas eingebaut, das die Windstößigkeit verringert. Ich krieg es aber nicht mehr auf die Reihe, wie das hieß ...

    ?️ One chili a day keeps the doctor away!

  • Am 7. Juni ist der Termin, aber es kommt wohl eine noch nicht allzu erfahrene Person...(die vor kurzem noch Gesellin war....)

    Wichtig ist das ein Orgelbauer der sich darum kümmert Erfahrungen mit diesem Orgeltyp hat, also im Idealfall im Portfolio vom selben Erbauer bereits erfolgreiche Projekte durchgeführt hat. Achte da bitte darauf. Ein falscher Orgelbauer kann fatal sein.

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    • Offizieller Beitrag

    Haralder

    Das stimmt, so manche Orgel wurde verschlimmbessert.

    Aus dem Grund würde ich selbst nur eine grundsätzliche Funktion wieder herstellen wie die mit der gerissenen Strippe etc.

    chilissimo

    Windstößigkeit hat man hauptsächlich bei Orgeln mit Kegellade und Registerkanzelle.

    Gründe für Windstößigkeit sind:

    * niedriger Gesamtwinddruck

    * lange Wege der Windführung und der Strömungswiderstände (bis sich der Druck im Windkanal wieder aufbaut dauert es)

    * Ein Windkanal für mehrere Werke (sie beeinflussen sich gegenseitig)

    Abhilfe kann sein:

    * Ausgleichsbälge vor den Kanzellen einbauen.

    Wenn das nicht hilft wegen der Druckverluste in der Windführung:

    * Gesamtdruck erhöhen (notfalls mit stärkerem Gebläse) und den Druck in den Ausgleichbälgen wieder mindern.

    Aber die Windstößigkeit ist m.E. nicht die Ursache des von Georgy beschriebenen Fehlers

  • Abhilfe kann sein:

    * Ausgleichsbälge vor den Kanzellen einbauen.

    Wenn das nicht hilft wegen der Druckverluste in der Windführung:

    Das ist genau das was sie bei unserer Orgel in der Bergkirche verbockt haben. Ein einziger Balg versorgt alles. Die fünf Ausgleichbälge sind zwar noch da, aber mit Holzbretter festgestellt, so dass sie keine Funktion mehr haben. Wenn nun Pedal, Hauptwerk, 2. Werk, Schwellwerk und Barkerhebe l an einem winzigen Balg hängen, dann kann das nicht funktionieren. Scheinbar dachte man mit mehr Wind ginge das. Aber wohl einer der Gründe warum der Orgelbauer pleite ist....

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  • Mit euren kompetenten Anregungen nochmals bewusster getestet:

    Solange man akkordisch + Pedal gleichmäßige Belastung bewirkt: Tonhöhe stabil (wenn auch wohl etwas nach unten detoniert.)

    Nach Akkorden jaulen einzeln gespielte Töne etwas hoch, sind etwas lauter (wie leicht überblasen) und gehen dann wieder etwas zurück oder schwanken manchmal um die korrekte Tonhöhe.

    Genau das beschrieb auch sofort der Chef der Orgelbaufirma ( mit dem die Gemeinde einen langjährigen Wartungsvertrag hat) bei einem Telefonat mit mir.

    Er sprach - falls kein anderer Fehler vorläge - soweit ich auf die Schnelle (und ohne Fachwissen) verstanden hatte, von einem Ausgleichsbalg "falls dafür Platz wäre".

    "Kostenpunkt ganz grob 3000 Euro".....

    :?: