Dereux Analogspeicher-Orgel

    • Offizieller Beitrag

    In diesem Faden beschreibe ich die Speicherung und Abtastung von Orgeltönen mittels des von Dereux entwickelten und patentierten Kondensator-Speichers.

    Zunächst etwas Theorie:

    Ein Kondensator besteht ganz vereinfacht aus zwei parallelen Flächen/ Platten mit Abstand zueinander..

    An beiden Platten kann man eine Spannung anlegen.

    Nun wirkt er ähnlich einer Batterie. Wenn man den Kondensator von der Spannungsquelle trennt ist er aufgeladen. Seine Ladung kann er gut halten wenn sich zwischen den Platten ein isolierendes

    ( extrem hochohmiges) Medium befindet.

    Würde man zwischen den Platten ein elektrisch leitendes Medium (z.B. Wasser) anordnen käme es zu einem Elektronenfluss zwischen den Platten und dadurch zu einer inneren Entladung.

    Die Kapazität (Fassungsvermögen von Ladung) ist von einigen Faktoren abhängig:

    * Größe der Platten

    * Abstand der Platten

    * Medium zwischen den Platten

    * angelegte Spannung

    Da aber die Spannung eines geladenen Kondensators abnimmt ( es gibt kein ideales Medium zwischen den Platten)

    Kann man den Kondensator nicht laden und drei Tage später die Orgel spielen. Sie würde wegen der Entladung keinen Ton von sich geben. Man muß einen anderen Weg gehen.

    Dereux hat einen sich zeitlich entsprechend der Chromatischen Töne der Orgel veränderlichen Kondensator entwickelt und somit in Verbindung mit einem Widerstand eine veränderbare Spannung ausgenutzt um Schwingungen daraus zu generieren.

    In dem nächsten Beitrag folgen Schaltbild und Erläuterung dazu.

    Dann folgt Stück für Stück die Umsetzung von Schwingungen in veränderliche Kapazitäten und deren Abtastung.

    So, es wird demnächst spannend und interessant. Erholt euch erstmal

    Gruß Rainer

  • Sehr interessant mehr darüber zu erfahren. Während meiner Studienzeit in Delft traf sich mein Studentenverein in der Immanuelkerk, wo gerade eine neue Orgel von der Firma Leeflang installiert wurde. Soweit ich mich erinnere, wurde bis dahin eine Dereux-Orgel verwendet und deren Klänge, wie mir damals erzählt wurde, von einer Kirchenorgel gesampelt. Können Sie das bestätigen? Vielleicht ist es auch möglich herauszufinden, welche Orgel er gesampelt hat.

    Beziehen Sie das in Ihre Erklärung mit ein?

    Gruß Bas

    • Offizieller Beitrag

    Dr. J. A. Dereux hat historische Orgeln in Paris studiert und eine dieser Instrumente aufgenommen. Welche Orgel ist mir nicht bekannt, wurde auch nirgend erwähnt.

    Er hat tatsächlich Ton für Ton zu jedem Register "gesampelt" und die Schwingungen in Kondensatorflächen umgestaltet. Mehr darüber und mit welchem Verfahren folgt noch

    Gruß Rainer

    • Offizieller Beitrag

    Dereux hat zunächst auf Mixturen verzichtet.

    Die Disposition der ersten Orgel

    Pedal:

    Subbaß 16'

    Echobaß 16'

    Gedackt Flöte 8'

    Prinzipal 8'

    Oktave 4'

    Posaune 16'

    Fagott 16'

    Trompete 4'

    Manual I:

    Gedackt 16'

    Gedackt 8'

    Prinzipal 8'

    Oktave 4'

    Prinzipal 2'

    Quinte 2 2/3'

    Trompete 8'

    Manual II

    Flöte d Amour 8'

    Gambe 8'

    Prinzipal 4'

    Blockflöte 4'

    Waldflöte 2'

    Nasat 2 2/3'

    Terz 1 3/5'

    Flautino 1'

    Fagott 16'

    Oboe 8'

    Schalmei 4'

    Koppeln:

    M I - P

    M II - P

    M II - M I

    Tremulant M II (Amplitudenmodulation)

    Schweller ( gesamt)

    Tonhöhenverstellung

    Tutti und andere Kombinationen nicht vorhanden

    Die Abstrahlung erfolgte via Röhrenverstärker, zwei großen Boxen mit einem Tief/Mittelton Lautsprecher und einem nach oben gerichteten Hochtöner. Über diesem drehte sich langsam ein Schalltrichter wie bei dem Lesley und sorgte für einen leicht schwebenden Klang.

    Der Röhrenverstärker hat den Vorteil, dass Verzerrungen nur innerhalb der gespielten Töne entstehen. Dadurch ändert sich der Klang vernachlässigbar. Bei Transistorverstärker treten Verzerrungen irgendwo auf und stören (wenn auch geringfügig)

  • Gibt es bei der Technik eigentlich eine Grenze der maximal gleichzeitig spielbaren Töne? Wenn ich es richtig verstehe, dann wird jeder Ton durch eine Schaltung erzeugt die ein Strom durchläuft und am Ende muss es ja auf einen Ton zusammengeführt werden. Also quasi wie ein Mischpult. Aber ich frage mich gerade wie es funktioniert viele verschiedene Stromquellen zusammenzuführen ohne das was hinten rauskommt unbrauchbar ist. Eine einfache Parallelschaltung der Leitungen wird wohl nicht reichen.

    Melodeum.de - Wissenswertes zu Harmonium

    • Offizieller Beitrag

    Haralder

    Nein, theoretisch gibt es keine Obergrenze von gespeicherten Tönen. Nur der Generator würde mechanisch immer größer.

    Die Töne werden wie auch bei GO und HW rechnerisch oder stromleitend zusammengeführt.

    Irgendwann mit vielen Registern etc. ist es nicht mehr sinnvoll. Der Klang über Lautsprecher wird bei zunehmender Registeranzahl undurchsichtiger.

    emsig

    Bei der elektromechanischen Abtastung kann es in den gespeicherten Schwingungen keinen Hallanteil geben. Der würde bei Loslassen der Taste abgehackt.

    Bitte wartet noch auf Teil 2 und 3 meiner Beschreibung. Auftretende Fragen klären sich dann zumeist von selbst

    • Offizieller Beitrag

    Die Dereux-Orgel wurde speziell für den Einsatz in Kirchen konzipiert. Für den Hausgebrauch war sie auch zu teuer und enthielt ja keine eingebauten Lautsprecher. Eine Dereux-Orgel mit eingebauten Lautsprechern, auch für zu Hause, kam dann später auf den Markt.

    Zudem war die Orgel wegen der vielen mechanischen Teile sehr schwer und durch die Handarbeit bei der Herstellung obendrein relativ teuer. Ca das 2 bis 3 Fache der gängigen Anallgorgeln.

    Übrigens gibt es im Internet Youtubes mit Klangbeispielen. Einige dieser Orgeln tun, obwohl aus den 1960iger Jahren, noch ihren Dienst

  • ich habe mal bei YouTube geschaut:

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    Ich finde vom Klang her ist es doch ganz anständig. Natürlich hört man manchmal den typischen Elektrischen Orgel Klang heraus, aber klanglich trotzdem gut. Eben keine perfekte Simulation, aber angenehm. Ich glaube in einer kleinen Kapelle kein Platz für eine echte Orgel ist, dass könnte man die heute noch sinnvoll nutzen.

    Melodeum.de - Wissenswertes zu Harmonium

    • Offizieller Beitrag

    Dereux-Orgel, Teil 2

    Speicherung und Abtastung von Klängen:

    Ein Ton eines Registers wird aufgenommen und mit dem Oszillografen aufgezeichnet.

    20211014_113318.jpg

    Hier ist eine Klangkurve mit einer Schwingungsperiode dargestellt. Die Fläche unter der Kurve wird als eine Kondensatorplatte gespeichert (wie, folgt noch)

    links ist als schmaler Zeiger die zweite Kondensatorplatte dargestellt.

    Bewegt man den Zeiger von links nach rechts schwebend über der Kurvenfläche verändert sich die Kapazität je nach dem Volumen der gerade unter dem Zeiger befindlichen Kurvenfläche.

    Die Kapazität während der Zeigerbewegung verändert sich gemäß der Kurvenform.

    Man muss nur dafür sorgen, dass die Geschwindigkeit der Abtastung dem gespeicherten Ton entspricht. Und, ein zweiter Zeiger muss direkt im Anschluss, nachdem der erste die Schwingungswelle verläßt, folgen usw.

    Viele sich mit der gleichen Geschwindigkeit bewegende und aufeinander folgende Zeiger bilden dann ein jeweiliges Loop und man erhält eine regelmäßige Schwingung. In der Orgel bewegen sich die Zeiger kontinuierlich für alle Töne aller Register.

    Bei Tastendruck und Wahl des Registers wird die entsprechende Kondensatorfläche angesteuert. Der Zeiger liegt immer an Spannung.

    Wie wird nun diese veränderbar, variable Kapazität in elektrische Schwingung umgesetzt.

    Da die Flächen sehr klein sind ist die Kapazität so minimal, dass sich der Kondensator durch die schnell vorbeischwebenden Zeiger nicht aufladen kann entstehen keine störenden Effekte wie auf-und entladen.

    Aber während des Vorbeibewegens fließt ein kleiner Elektronenstrom von Platte zu Platte. Die Größe ist abhängig von der Fläche unter dem Zeiger. Wegen der winzigen Kapazitäten benötigt man eine hohe Spannung. Sie liegt in diesem System bei ca 350 bis 400 Volt.

    Schwingungsstrom

    20211014_113248.jpg

    Links ein normaler Spannungsteiler mit zwei gleichgroßen Widerständen.

    Am mittleren Abgriff gegen Null gemessen (Vo unten im Bild) liegt die halbe Versorgungsspannung (Uv, oben im Bild) an.

    Rechts ein Spannungsteiler mit einen Widerstand und einem Variablen Kondensator.

    Ein Kondensator hat einen inneren Widerstand. Der ist abhängig von der Kapazität und von der Frequenz.

    Die Frequenz eines einzelnen Tones ist konstant ( die Orgel soll ja nicht eiern)

    Die Kapazität verändert sich gemäß der Schwingungskurve.

    So erhält man durch die Teilung von Festwiderstand und schwingungsabhängigem Kondensatorwiderstand am Abgriff eine schwingende Spannung, die der gespeicherten Kurve als Kondensatorfläche entspricht.

    Dies mit Tastendruck und Register kombiniert und via Verstärker auf den Lautsprecher geschaltet erzeugt den analog gespeicherten Pfeifenton (ohne Einschwing-und Ausschwingverhalten)

    Damit bei Betätigen der Taste nicht der sog. Blub (Einschaltgeräusch) entsteht hat man pro Taste ein Antiblubfilter zwischen Tongenerator und Verstärker geschaltet. Zusätzlich schaltete jede Taste bei Betätigung den Verstärkereingang frei. Alle jeweils nicht benötigten Töne wurden Kapazität auf Massepotenzial gezogen. Störgeräusche aus dem Generator gab es elektrisch nicht. Außerdem, weil die Geometrie der Schwingungskurven nicht genau den Lautstärkebedingungen der einzelnen Töne entspricht ( viel zu kompliziert dieses in mechanisch erzeugten Flächen genau hinzubekommen) ist jeder Ton eines jeden Registers mit einem Widerstandsnetzwerk intoniert.

    Das war im Werk reine Handarbeit ähnlich der Intonation einer Pfeifenorgel.

    Im nächsten Teil folgt der Aufbau und ein paar Bilder der gespeicherten Schwingungen samt Zeiger und Fotos von den einzelnen Baugruppen.

    Gute Erholung. Ich brauch jetzt auch einiges an Kaffee

    • Offizieller Beitrag

    20211014_142550.jpgDereux-Orgel, Teil 3

    Aufbau des Generators und der Orgel.

    Weitere Besonderheiten

    Die Schwingungsflächen wurden konzentrisch mit einer Silber-Metall-Legierung auf Bakelitscheiben aufgedruckt. Tiefe Töne nahe des Drehpunktes, hohe und höhere Töne im entsprechendem Abstand bis hin zum Rand.

    Die Abbildungen zeigen die aufgedruckten Schwingungen. Jede einzelne Fläche ist mit einem am Rand befindlichen Anschluss verbunden.

    20211014_142634.jpg


    20211014_142621.jpg

    Übrigens ist es egal ob z. B. eine Sägezahnschwingung mit der steilen oder sanften Steigung beginnt. Der Klang ist gleich. Das gilt für alle Kurvenformen.

    Die Anordnung der Platten zueinander ist ganz oben gezeigt. Links eine Platte mit Schwingungskurven, rechts dito.

    Auf der Vorderseite sieht man zwischen den Zuleitungen eine durchgehende Massefläche.

    Die rotierende Scheibe in der Mitte (der Strom wird auf der Achse abgenommen) mit den Zeigern (schmale Kondensatorflächen)

    Je nach Anzahl der Schwingungen auf verschiedenen Durchmessern unterschiedlich lang und in unterschiedlicher Anzahl. Rechts die zweite Platte im gleichen Abstand von ca 2 mm.

    20211014_142515.jpg

    Gesamtaufbau

    Der Motor unten treibt zwei Riemen. Auf jeder Seite sind sechs Generatoren angeordnet. Die Antriebsscheiben an jedem Generator sind im Durchmesser jedem Halbtonschritt entsprechend zugeordnet

    20211014_142809.jpg

    Die Orgel von hinten:

    Rechts der gekapselte Generator freischwingend gelagert. Daneben 12 Blöcke für die Intonation und Registerwahl. Links daneben der Schweller. Links außen Netzteil und Verstärker.

    Einziger Verschleiß sind die Kugellager und die achsiale Abtastung der rotierenden Scheiben auf der Achse.

    Und halt die Röhren.

    Im Generator nutzt sich nichts ab. Die Orgel ist stimmkonstant, geringfügig verstellbar (Motordrehzahl) und witterungsunabhängig.

    Für die damalige Zeit war das ein phänomenaler Klang. Ich spiele heute noch gerne auf dieser Orgel. Einige von ihnen sind in Kirchen und Gemeinden noch im Dienst.

    Gruß Rainer