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Hybridorgel als Ersatz einer großen Pfeifenorgel?
Hybridorgel als Ersatz einer großen Pfeifenorgel?
Die in einer Hybridorgel zum Einsatz kommenden digitalen Stimmen, egal ob Samples oder Klanganalyse, und deren Abstrahlung über Lautsprecher unterliegen den gleichen physikalischen Gesetzen wie bei einer Digitalorgel zu Hause.
Raummoden sind aufgrund der großen Kirche nicht so ausgeprägt wie im Eigenheim.
Wie schaltet man sie aus?
Indem man den Subbaß 16' und den Prinzipalbaß 16' als Pfeifenregister ausführt. Das Fundament trägt und wächst akustisch mit den gezogenen Registern
Bei der Disposition muss man darauf achten, dass es weder bei den Prinzipalen, Flöten und Streichern dazu kommen kann, dass in einer dieser Gruppen ein Spiel nur mit der Elektronik möglich ist.
Das bedeutet:
Der Prinzipalchor für Pedal, Man 1 und Man 2 muss inkl. der Klangkronen aus Pfeifenregistern bestehen.
Bei den Flöten, Quintaden und Streichern sollten mindestens die jeweiligen 8-Füßer als Pfeifenregister disponiert sein.
Und dass sowohl im Pedal und den Manualen.
Dann hat man das volle Plenum mit Flöten und Streicher die den Längsdruck im Raum erzeugen.
Eine Posaune 16' im Pedal als Pfeifenregister sorgt obendrein für einen sehr kräftigen Klang und Druck im Fundament, den man mit Lautsprecher kaum darstellen kann.
Wenn man die Orgel so konzipiert hat man schon die größten Probleme (Raummoden und Abstrahlung tiefer Töne mit Eigenresonanzen der Lautsprecher) eliminiert.
Außerdem kann es kaum vorkommen, dass man nur Elektronik registriert.
Obertöne, Aliquoten, Zungen sowie 4' und 2' etc zur Färbung des Klanges kann man elektronisch ausführen.
Nebenbei: es gibt Pfeifenorgeln bei denen man aus Platz und Materialgründen den Bass elektronisch ausführt. Dann hat man wieder die Probleme der Abstrahlung und das Fundament trägt nicht.
Eine gute Hybridorgel, die nach diesen Gesichtspunkten disponiert ist, ist nicht grundsätzlich schlecht oder abzulehnen.
Immer wenn sie gespielt wird ist ein Pfeifenregister gezogen. Dieses erzeugt den Längsdruck. Mit einem zusätzlichen Digitalregister fällt das dann nicht auf.
Erst wenn man alle Pfeifenregister abstellt kommt plötzlich kein Ton aus der Orgel in den Raum. Er ist nur im Werk hörbar.
Übrigens, auch hier wird man feststellen dass, wenn das volle Pfeifenplenum spielt und man die volle Elektronik dazu zieht, die Orgel nicht lauter wird.
Ein wichtiger Punkt ist die temperaturabhängige Stimmänderung der Pfeifen.
Die Elektronik läßt sich auf zweierlei Wege anpassen.
* Manuelle Verstellmöglichkeit
* Temperaturabhängige automatische Anpassung
Hier reicht ein Temperaturfühler nicht. Es muss ein Mittelwert errechnet werden. Dazu sind mehrere Fühler an unterschiedlichen Orten zu positionieren.
In der Regel klappt das ganz gut.
Um extreme Verstimmungen der Pfeifen zu mindern Baut man das Hauptwerk mit den Prinzipalen usw. hoch oben unter die Kirchenraumdecke. Dort sind am wenigsten Temperaturschwankungen zu erwarten.
Ein anderer Punkt sind die Tremulanten.
Der elektronische Tremulant läßt sich kaum anständig mit dem Pneumatischen synchronisieren.
Disponiert man eine Unda Maris etc. elektronisch geht das meist nur als Klangmischung. Das klingt fürchterlich.
Hingegen eine Celeste zusammen mit einem Streicher als Pfeife klingt schon ganz gut. Muss aber in der Mensur etc sehr gut angepasst werden.
Fazit:
* Viele Klangfärbungen durch Aliquoten als digitale Register bereichern
* Disponiert man die Orgel ordentlich mit Pfeifenstimmen ( s.o.) hat man genügend Längsdruck
* dann trägt das Bassfundament
* Unzulänglichkeiten der Lautsprecher entfallen. Sie müssen auch bei den Aliquoten nicht so brüllen
* Temperaturabhängige Verstimmungen lassen sich beim Spiel anpassen.
* wird solche Orgel für den Gottesdienstgebrauch disponiert erfüllt sie auch hohe Ansprüche der Klanggestaltung und klingt wesentlich besser als eine Digitalorgel
* Eine Konzertorgel, die in allen Nuancen leben , strahlen und flirren soll würde ich aus meiner Erfahrung nicht als Hybridorgel empfehlen.
In Kürze folgt die Disposition der Hybridorgel (Hammer / Ahlborn) der NAK Berlin Charlottenburg (Foto in meiner Galerie)
Klasse! Einleuchtend!
Danke, Rainer.
Könnte mir vorstellen, dass dies aus Kostengründen die Zukunft vieler ....auch Kleinorgeln in schwindenden Gemeinden sein könnte?
Das Konzept erscheint mir recht stimmig.
Gerade die Mixturen, Aliquoten, Zungen sind ja manchmal ungestimmt und unintoniert kaum zu ertragen und exorbitant teuer in der Renovierung.
Gibt es bisher viele Beispiele, wo dieses mir klug erscheinende Konzept erfreulich gelungen ist?
Ich kenne nur die Orgeln der NAK in Charlottenburg, Wilmersdorf und Schöneberg
In Charlottenburg mit der Ahlborn BAC-Technik.
In Wilmersdorf mit Samples von Johannus.
In Schöneberg inzwischen nur digital
Wilhelmshaven will ich mir angucken wenn ich in der Gegend bin
Ergebnisse:
* Die veraltete Klanganalyse in Charlottenburg ist elektronisch neutral zu den Pfeifen, gliedert sich also sehr gut ein
* In Wilmersdorf handelt es sich klanglich fast um zwei Orgeln. Die Digitalorgel von Johannus klingt bissl vordergründig und zu eigenständig. Es ist quasi eine Johannustypische Orgel mit angehängten Pfeifen. Das Gesamtkonzept klingt nicht ideal aufeinander abgestimmt.
Wichtig ist auch, dass man die Digitalstimmen an eine Pfeifenorgel elektrisch ankoppelt. Steigt der Computer aus funktioniert die Elektromechanische Orgel noch. Dazu ist wichtig, dass wie beschrieben das vollständige Plenum aus Pfeifen besteht.
Offensichtlich gliedert sich die ansonsten sterilen Klanganalysen besser ein. Oder man muss genau aufpassen welche Samples zur Pfeife passen.
Die Folge in Wilmersdorf:
Man spielt überwiegend digital weil die Johannusorgel so schön "weich" klingt. Ehemals waren die Digitalstimmen auch von Ahlborn. Da klang die Orgel in sich stimmig.
Alle drei Orgeln sind zweimanualig mit ca 15 Pfeifenregistern und 30 digitalen Stimmen.
Ich habe mit meiner dreimanualigen, relativ langweiligen Schmid-Orgel (31 Register) mal einen wirklich provisorischen Versuch gemacht, Pfeifen und Elektronik miteinander zu verbinden. Nachdem meine Pfeifenorgel keine Miditastatur hat, habe ich ein Keyboard für die Rechneransteuerung genommen. Als Klangabstrahlung diente eine große Montarbo-PA (2x18-Zoll Subwoofer, 2x15 Zoll + 2 Zoll Hörner als Topteile). Ich habe einen kompletten Tag und viel Muskelkraft gebraucht, um das Testsetup inkl. Rechner (iMac, MOTU-Interface, GrandOrgue) zu installieren.
Ich war sehr gespannt, wie die beiden Systeme miteinander harmonieren. Der allererste Eindruck war kein guter: Die beiden Instrumente mischten sich nicht und waren in der Stimmung unterschiedlich. GO nachzustimmend war nicht schwierig, schwieriger war vielmehr die Aufstellung der Topteile. Wir probierten einige Positionen und kamen schlussendlich darauf, dass die Lautsprecher wirklich direkt auf dem Orgelgehäuse stehen müssen, damit sich die Klänge mischen. Ein weiteres Problem war die Stereobreite der Samples, die viel enger klangen als die Pfeifen. Mit Hilfe eines SPL-Vitalizers gelang es mir, die Stereobreite zu erweitern. Zwar geht das zu Lasten der Phasengenauigkeit, fiel aber im Kirchenraum nicht auf.
Dann die Pegelabstimmung: Es reichte nicht, die Gesamtlautstärke von GO anzupassen, ich musste die einzelnen Register komplett nachintonieren. Am nächsten Tag testete ich mein Versuchssetup mit frischen Ohren und das klang dann schon sehr eindrucksvoll und erweiterte meine Orgel um viele weitere Klangfarben.
Einen entscheidenden Anteil trug dazu das Lautsprechersystem bei, das klanglich wirklich erste Klasse ist. Ob ich meine Orgel tatsächlich um elektronische Samples erweitere, steht noch im Raum. Ich habe das System einmal im Gottesdienst eingesetzt und die Reaktion der Besucher war klasse.
dass kann ich nachvollziehen. In den Instrumenten die ich kenne sind die Laursprecher im Gehäuse der einzelnen Werke integriert.
Die Intonation 1990 in Charlottenburg war die reinste Katastrophe. Ahlborn konnte nur etwas lauter oder leiser. Andere Mensuren gingen gar nicht.
Es ist aber trotzdem ein in sich stimmiges Instrument geworden auf dem ich gern spiele
Danke für den Erfahrungsbericht, Classickonzept.
Das Hochinteressante an Rainers Konzeptvorstellung ist für mich, gerade keine Subwoofer zu verwenden und jeder Registrierung eine Pfeifenkrone aufzusetzen.
Mit den heutigen Mitteln ist ja eine Mehrkanal-Abstrahlung über HW mit Mittel-Hochtönern kein Problem und Recht kostengünstig zu bewerkstelligen.
Meine Säulenlautsprecher, die vertikal bündeln und in der Breite relativ gleichmäßig abstrahlen, wären dafür wohl geeignet.
(Ich habe sie mit einem Highpass unter 120 Hz gekappt. Eine günstige t-amp 4-kanal Endstufe würde in nicht großen Kirchen schon reichen)
Blöd ist natürlich, dass die Klaviaturen der Kirchenorgel midifiziert sein müssten, um den Pfeifenkroneneffekt zu erreichen.
Sonst würde ich dies in unserer kleinen Kirchen demnächst probieren....
?
.....aber auch mit einer unabhängigen Midiklaviatur zum Probieren und (und ggf irgendwann mal eventuellen Vorführen)
reizt mich dies.
Jedenfalls das Pedal der Pfeifenorgel verwenden ....
(Besser natürlich alle 16' und manche 8'-Register)......
Eine gute Idee bei kleineren Pfeifenorgeln viele Klangfarben zu erzeugen ist die Aufteilung und Einzelansteuerung von z. B. Buntzimbeln.
Desweiteren greifen viele Organisten gerne zu einzelnen färbenden Registern, die sie dann ihren immer wieder verwendeten Grundregistrierungen dazu mischen.
Wer in der Teiltonreihe zu Hause ist kann auch mit Standardregistern viele unterschiedliche Klänge zaubern. Das geht z. B. auch mit einem 4' eine Oktave tiefer gespielt. Der Effekt ist oft erstaunlich. Zusammen mit einem 1 1/3' klingt das ganz anders als mit dem gewohnten und oft registrierten 8' plus 2 2/3'.
Die unterschiedlichen Mensuren in der gleichen Tonhöhe wirken oft Wunder.
Läßt sich unendlich fortführen.
Auch über Fehler die dabei mal entstehen. Z.B.
8' und 5 1/3' klingt und verschmilzt nicht weil der 5 1/3' nicht in der natürlichen Teiltonfolge zum 8' vorkommt. Usw
Im angloamerikanischen Sprachraum gehört der Begriff und das Instrument ‚Hybrid-Orgel‘ schon seit den 1960er Jahren zu einem stetig wachsenden Bestandteil der Orgel-Landschaft in Kirchen. So ist heute ca. jede vierte in den USA installierte Orgel ein hybrides Instrument – also sowohl mit Pfeifen- als auch mit digital erzeugten Registern ausgestattet.
Im deutschsprachigen Raum stand die Orgel-Fachwelt einer Kombination zweier ganz unterschiedlicher Klangerzeugungssysteme lange Zeit skeptisch ....gegenüber..."
Beispiel zu dem, was ich im "Vorstellungsfaden" meine:
https://www.sakral-orgel.de/neuer-spieltis…ne-pfeifenorgel
Alles Gute, Rainer, und viel Freude weiterhin....
auch an der Orgel und in deiner Gemeinde.
Michael
Danke Michael
In Deutschland sprach man in Orgelbauerkreisen von der Orgel und von Elektrien. Damit wurden die ersten Analogorgeln verteufelt. Langsam gewöhnte man sich an die Brauchbarkeit z. B. In der Kirche zur Gemeindebegleitung.
Wir hatten in der Gemeinde lange ein Harmonium und waren sehr zufrieden.
Der Begriff Hybridorgel ist noch relativ frisch. Vorher sprach man von einer Kombinationsorgel.
Gegen eine gut disponierte Hybridorgel ist nichts einzuwenden. Sie läßt auch in gewissen Grenzen Konzertähnliche Vorträge zu. Wenn der Organist mit dem Instrument vernünftig umgeht in Sachen Registrierung und Klanggestaltung kann man den Instrument etwas Positives abgewinnen.
Ich spiele gern darauf.
Amerika ist oft ein Vorreiter.
Die Resonatoren von Kienle sind auch, wenn auch eine modifizierte, Nachahmung der bereits Jahre vorher auf den Markt erschienenden Resonatoren von der Fa. Conn
Orgeln. Dort hat man m.W. mehrere Lautsprecher in einem System eingebaut. Die sind heute nicht mehr auf dem Markt zu erhalten.
Auch hier ist der ähnliche Effekt von akustischer Anpassung zu bemerken.
Man braucht nur Resonatoren in der 8' Reihe. Damit ergibt es einen plastischen Effekt, der durch Hinzufügen weiterer Register über "normale" Lautsprecher erhalten bleibt.
Ich hab mal ein System über nur eine Oktave gekauft und probiert
War schon interessant. Hab es verkauft weil ich keine weiteren 4 Oktaven bekommen habe.
In einer unserer Kirchen steht eine Orgel von Viscount, die über Resonatoren von Kienle Abstrahlung. Der Klang ist plastisch und geht in den Raum
Kienle hatte seinerzeit den m.W. Diapsonpreis auf der Vorstellung auf der Musikmesse erhalten.
Wenn man Hybridorgeln mit 32' und 64' elektronisch konzipiert (was Haralder schrieb) kann man sich mit Resonatoren helfen. Die müssen aber pro Ton mindestens eine halbe Wellenlänge lang sein damit sie überhaupt wirken. Ist auch aufwändig , groß und nicht ganz preiswert
Ich habe weiterhin Freude am Spielen und mit meiner Orgel
Gruß Rainer
Wenn man Hybridorgeln mit 32' und 64' elektronisch konzipiert (was Haralder schrieb) kann man sich mit Resonatoren helfen. Die müssen aber pro Ton mindestens eine halbe Wellenlänge lang sein damit sie überhaupt wirken. Ist auch aufwändig , groß und nicht ganz preiswert
Ich denke man muss es im Verhältnis sehen. Ich kenne zwar die Preise nicht, aber ein 64" und ein 32" an einer echten Orgel wird vermutlich (schätze ich) nicht sehr günstig sein. Mal von dem Platz ganz abgesehen wenn wir wirklich von einem echten 32/64er reden und nicht einen gedeckten nehmen.
Eine Orgel, die einen 32' und 64' besitzt ist ohnehin teuer.
Dann muss man abwägen was man tut. Ein ernst zu nehmender Verteter der digitalen Register wird auf die Unzulänglichkeiten der Lautsprecherwiedergabe aufmerksam machen und bei knappen Budget den 32' und 64' zu disponieren ausreden.
Klanglich als Fundament sind beide als Pfeifen wesentlich besser
Soweit ich nun kapiert habe, werden bei Hybridorgeln für kleine Räume, die 32'er (16'er) über Lautsprecher realisiert, um riesige Pfeifen einzusparen, die man sonst schwer oder nicht bezahlen bzw. stellen könnte.
Bei Pfeifenorgeln in Kirchen, bei denen ein gutes Fundament mit langen Pfeifen vorhanden ist, bietet es sich m.E. an, diese zu erhalten und zu warten und höhere, vor allem wartungsintensive problematische Register elektronisch zu realisieren.
Bei Pfeifenorgeln in Kirchen, bei denen ein gutes Fundament mit langen Pfeifen vorhanden ist, bietet es sich m.E. an, diese zu erhalten und zu warten und höhere, vor allem wartungsintensive problematische Register elektronisch zu realisieren.
Was meinst du mit Wartungsintensiv? Meinst du damit Register die irgendwie nicht zuverlässig funktionieren, oder eher so etwas wie eine Trompete die man quasi vor jedem Einsatz einmal Stimmen muss? Bei einer Orgel die in einem Wartungsvertrag ist, da sollte es eigentlich keine problematischen Register geben (Stimmung ausgenommen).
Beim erhalten ist eben die Frage ob die Gemeinde dazu in der Lage ist. Kann die Gemeinde die Wartung finanzieren, kann die Gemeinde im Bedarfsfall Reparaturen finanzieren, ist die Gemeinde dazu bereit Geld für den Erhalt der Orgel zu entbehren. Wenn nur eine der Fragen mit einem Nein beantwortet wird, dann sind alle deine Fragen eigentlich bereits beantwortet mit einem "Orgel hat keine Zukunft in der Gemeinde". Natürlich kann man eine gewisse Zeit selber Schrauben um alles irgendwie am Laufen zu erhalten, aber nach einer gewissen Zeit ist damit Schluss.
Nur zu, bei passendem Termin wäre ich gerne mit dabei...