Der sonntägliche Wahnsinn

  • Heute erschien der III. Teil der Reihe "Moderne Kirchenmusik" in der Zeitschrift OKEY.

    ".... vielleicht kann man mit den Menschen anfangen, die sich unserer bisherigen Kirchenmusik entfremdet haben, die aber trotzdem ein Verlangen nach Gottesbegegnung in sich tragen.

    Diese Menschen hängen nicht an einer kirchenmusikalischen Tradition, die sie in Gefahr sehen ......"

  • Ein interessanter Faden - von alten und neuen Choralbüchern über Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte bis hin zur pastoralen Situation… zeigt: Kirche steht vor einem Paradigmenwechsel, der auch uns OrganistInnen betreffen wird; für mich ist meine persönliche Motivation entscheidend; klar zähle ich auch schon mal sonntags die Zahl der Besucher in „ meiner“ ( katholischen) Kirche, die sich stetig verringert, aber wenn‘s dann (ab und zu) mal Applaus am Ende gibt, ist das Balsam für mich und die Besucher. Pastoral müssen wir uns in jedem Fall verändern, aber die Orgelkultur wird sicher bestehen bleiben, auch wenn es weniger wird (40 bis 80 im Trierer Dom ist schon wenig). Lassen wir uns die Freude am Musizieren nicht nehmen, egal wie es kommt.

    Grüße von Thomas - Mechanische Kegellade

  • Ich persönlich kann mir dem Poppigen Orgelspiel nichts anfangen und es gefällt mir auch nicht, zumindest nicht bei diesen Neufassungen alter Lieder. Wenn ich mir die neuen Fassungen anschaue wenn ernste Lieder die eine ernste Aussage haben in einer fröhlichen Popballade umgewandelt werden, dann weigere ich mich diesen gequirlten liturgischen Stuss zu spielen. Unser Pfarrer wollte mal eine Fassung von Haupt voll Blut und Wunden in einer A-Dur Bearbeitung gespielt haben. Da sagte ich aber das er sich dafür einen anderen Spieler suchen muss, da ich mich nicht lächerlich mache. Gut solche Lieder sind thematisch schwer und man kann darüber durchaus diskutieren ob es gespielt werden sollte. Aber ein Lied was eine für den Verfasser sehr ernste Aussage trifft gehört nicht als fröhliche Popballade in den Gottesdienst. Es gibt durchaus auch Poplieder die ich Spiele, da diese nicht einfach belangloses Gedöns sind. Das gibt es auch wunderschöne Stücke. Ich denke da an meine engen Grenzen, Mögen Engel dich begleiten, mutig komm ich vor den Thron oder ins Wasser fällt ein Stein. Im Grunde spricht dort nichts dagegen, wenn der Author das Lied Adi vorgesehen hat. Luther hingegen hat seine Stücke so nicht gesehen. Was mich aber auch stört ist das viele Orgel Spieler stur ihre Bach Sätze spielen auf alles, auch wenn es nicht passt. Man kann durchaus modern interpretieren ohne in das belanglose Pop Gedöns zu kommen.

    Melodeum.de - Wissenswertes zu Harmonium

    • Offizieller Beitrag

    Ich persönlich kann mir dem Poppigen Orgelspiel nichts anfangen und es gefällt mir auch nicht, zumindest nicht bei diesen Neufassungen alter Lieder. Wenn ich mir die neuen Fassungen anschaue wenn ernste Lieder die eine ernste Aussage haben in einer fröhlichen Popballade umgewandelt werden, dann weigere ich mich diesen gequirlten liturgischen Stuss zu spielen.

    Das ist auch bei Chören zu beobachten.

    Choralsätze mit ernsten Textaussagen werden oft nicht mehr im kompositorischen auf den Text bezogenen Sinn interpretiert. Häufig im schnellen zweier Takt dirigiert. Swingt schön.

    Aber, "oh Haupt voll Blut und Wunden" etc im Swing?

    Nein

  • Es ist leider so dass sich viele Kirchenmusiker zwar mit der Technik und so beschäftigen, dabei aber das Thema vom Lied ausblenden. Nehmen wir als Beispiel das wunderbare moderne Stück "Meine engen Grenzen" von Pfarrer Eugen Eckert. Das gibt es als normale Fassung und als sehr schweres Kyrie (ich persönlich bevorzuge letzteres). Man kann das Lied nun einfach vom Blatt abspielen. Dann ist es einfach nur ein vom Blatt gespieltes Stück. Wenn ich mich jedoch mit dem Text befasse, dann interessiert mich auch das Warum dahinter. Warum schrieb er genau diesen Text, welche Geschichte steht dahinter und was wollte er damit sagen. Dann schaue ich mir neben meiner eigenen Interpretation die Geschichte dazu an und finde unter anderem folgendes in Kurzform sowie eine Beschreibung wie er immer wieder an seine eigenen Grenzen gekommen ist und was er gebetet hat:

    Zitat

    Der evangelische Pfarrer Eugen Eckert hat das Lied in einer ganz konkreten Situation geschrieben. Er hat in einem Wohnheim für Mädchen aus schwierigen Lebenssituationen gearbeitet. Und diese Arbeit führte ihn immer wieder an Grenzen: Er ist mit seinem Latein am Ende, er wird bestohlen und bedroht. Und er kann den Suizid einer Bewohnerin nicht verhindern.


    Nun verstehe ich den Text und die Aussage, kann nachvollziehen wie sich der Autor gefühlt haben muss und schon spiele ich dieses Stück ganz anders als wenn mir alles davon unbekannt wäre. Außerdem schätzt man dann das Kyrie davon noch viel mehr was dem unwissenden Zuhörer/Spieler viel zu schwer klingt.

    Das ist am Ende des Tages der Unterschied zwischen dem der aus Begeisterung musiziert und alles dazu wissen will und dem der einfach nur technische Dinge umsetzt.

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    • Offizieller Beitrag

    Genau das ist es was auch in der Gemeinde ankommt.

    Das ist weder ein auf 10tel Sekunden genau gespielter Takt noch alle Strophen im gleichen Tempo oder gleicher Registrierung. Wir wollen keine sterile Musik machen. Das berührt schon wieder das Thema Improvisation etc im Gottesdienst. Je mehr man sich mit der Musik Text und Ausdruck beschäftigt und verinnerlicht umso besser kommt es in der Gemeinde an

  • Rainscho das betrifft im Grunde alle Bereiche der Liturgie. Ich war am Wochenende in einer Katholischen Musikandacht in Hildesheim zu Besuch. Der Priester der dort war und zwischen der Musik den Liturgischen Teil übernommen hat, hatte mich wirklich begeistert. Zum einen die Textauswahl war sehr ungewöhnlich, sehr Modern und ein anderer Teil sehr Traditionell. Vorgetragen absolut ruhig und nur auf den Inhalt bezogen ohne den Versuch es künstlerisch auszudrücken (was viele ja gerne versuchen mit übertriebener Betonung) und das alles mit einer absoluten Ruhe. Da machte das zuhören wirklich Freude und man merkte richtig wie er das was er sagt auch selber verstanden hat.

    Leider gibt es das andere Extrem auch viel zu oft. Pfarrer/Prediger/Priester und der Musiker wollen sich im Gottesdienst selber profilieren statt ihren Dienst an der Gemeinde zu vollführen.

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  • "Zum Schluss wünschen wir uns das "Halleluja"".

    Braut singt hingerissen vor.....

    "Von wem ist das?"

    "Na, das gaanz Berühmte! Feuerzeugfeeling! Da haben wir uns kennen gelernt.....

    Moment, ich zeig's ihnen auf Jutuub"

  • Bei Hochzeiten spiele ich öfter "Festliche Musik alla Handel. Siegesgesang Israëls, Lobet den Herrn mit pauken und zimblen schôn." von Sigfrid Karg-Elert. Das hatten sich mal welche gewünscht wo ich spielen sollte. Eigentlich ist es ein Stück was nicht von der normalen Orgelspieler Pauschale abgedeckt ist und man zusätzlich jemanden zum registrieren und Blättern braucht, aber ich habe es trotzdem gemacht als persönliche Herausforderung. Das Stück ist nämlich eine echte Herausforderung. Naja kam gut an und wird nun öfter gewünscht.


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  • Diese Standpunkte sind ja in der Tat nicht neu, das „Fass“ E- versus U-Musik sollte doch endgültig geschlossen sein. Dass Qualität, egal in welchem Genre, immer gut ankommt und gewürdigt wird, steht außer Zweifel. Dass aber Hauptamtliche vor einer enormen pastoralen Herausforderung stehen, ist sicher auch unstrittig. Ich jedenfalls meine, dass die Verweigerung gewisser Wünsche von z. B. Brautpaaren aus pastoraler Sicht schwierig ist. Da sind von uns Musikern wohl doch Kompromisse gefragt, was nicht heißt, dass auch wir beratend eingreifen sollten, so man uns denn lässt. Wenn man Fraser Gartshaws Kanal kennt, dann sieht man doch, dass auf der Orgel vieles möglich ist, was auch durchaus klingt.

    Grüße von Thomas - Mechanische Kegellade

  • Ich jedenfalls meine, dass die Verweigerung gewisser Wünsche von z. B. Brautpaaren aus pastoraler Sicht schwierig ist.

    Ich sehe das nicht als schwierig. Ich hatte auch schon Wünsche die ich abgelehnt habe. Mein Standpunkt ist da eigentlich absolut klar definiert. Wenn ich musikalisch etwas öffentlich mache, dann erwarte ich von mir eine gute Umsetzung. Gerne suche ich auch die Herausforderung um meine eigenen Grenzen neu festzulegen, aber ich weiß auch wo meine Grenzen sind und wenn das Ergebnis am Ende musikalisch nicht gut wäre, dann lasse ich es.

    Egal ob der Pfarrer oder der Bischof persönlich etwas möchte, ich als ausführender entscheide was ich kann und was nicht. Wenn das jemanden nicht reicht, dann steht es ihm ja frei jemanden eigenverantwortlich zu organisieren und zu bezahlen der das dann wunschgemäß machen kann. Für mich selbst spielt es auch keine Rolle ob ich für die Andacht im Kindergarten oder dem Bischof mit 200 Gästen etwas spiele, bei beiden gebe ich das beste. Selbst wenn auf einem Konzert nur eine Person sitzt (was auch schon passiert ist) spiele ich dort genau so. Zumal man mit einem Stück eine einzige Person mehr bewegen kann als im Zweifel hunderte.

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  • Bei Hochzeiten spiele ich öfter "Festliche Musik alla Handel.

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    Vielen Dank für den Tipp, Haralder. Hab mir die Noten gerade bestellt.

    Wer es ganz einfach mag: "An Easy Handel Organ Album", Bärenreiter BA 11213

    Kurze, klug ausgesuchte Sätze aus den Water und Firesworks- Musiken, Messiah, usw.....

    zum Vom-Blatt-Spiel..... Schön auch mit "eigenen" Verziehrungen und akkordischen und sonstigen Ergänzungen.....

    (Ich mag sie sehr, weil ich seit der Kindheit solches immer wieder gerne als unangestrengte, festliche Musik gerne gehört habe....)