Restaurierung eines Harmoniums (1664)

  • Ich restauriere gerade wieder einmal ein altes Harmonium. Für die Interessierten ein paar Fotos aus dem Innenleben und ein detaillierter Bericht kommt die nächsten Tage.

    Das Instrument stammt aus dem Jahre 1664 und ist nun wieder spielbar. Einige Zungen müssen noch nachgestimmt und intoniert werden, grundsätzlich ist es aber bereits wieder komplett spielbar. Der Balg wurde von mir neu aufgebaut un das Gehäuse muss an einigen Stellen noch einmal abgeschliffen werden.


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    Nachdem der Balg wieder drinnen ist und die Klaviatur eingebaut.

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    Das ganze noch einmal von hinten. Links sitzt der Tremulant.

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    Der Registerkasten hatte einige abgebrochene Hebel, diese wurden erneuert.

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    Der Registerkasten von hinten und wieder korrekt verbunden.

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    Halb zusammen um in diesem Zustand gestimmt und intoniert zu werden. Und ja, spielen muss man ja auch zwischendurch einmal ;)

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    Hier sieht man den Zustand der Furniere vorher. Diese wurden abgeschliffen, gestrichen und Lakiert.

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    Der amtliche Nachweis für das Baujahr. :)

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  • Das schlimmste kommt ja jetzt mit den Zungen. 4x rund 60 Zungen ausbauen, einzeln prüfen, reinigen und ggf. stimmen ist etwas das ich immer schrecklich finde. Ich habe damals beim Orgelbauer gelernt wie man das macht und inzwischen fast perfektioniert. Trotzdem ist es in der Praxis so: 10 Zungen in 5 Minuten abgearbeitet und die Nummer 11 will nach 5 Stunden noch nicht so wie ich das will... Ein Phänomen das selbst erfahrene Orgelbauer die hunderte Orgeln intoniert und gestimmt haben kennen. Irgendein Ton will nach Stunden immer noch nicht, am nächsten Tag plötzlich alles nach zwei Minuten perfekt...

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  • Da hast Du ein schönes Projekt am Laufen! Glückwunsch!

    Das Harmonium ist aber maximal 150 Jahre alt. Bauart, Ausführungstechniken und Materialien lassen darauf schließen.

    Der aufgebrachte Zettel ist nur die Seriennummer des Herstellers. Mit etwas Glück lässt sich damit aber das genaue Datum bestimmen.

  • Das Harmonium ist aber maximal 150 Jahre alt.

    Das will ich nicht hören :whistling: Nein vermutlich hast du recht. Gegen das Alter spricht ja auch der Aufbau, das ist eindeutig maschinell bearbeitet und 1664 hatte man soweit ich weiß noch keine Fräsen und so herumstehen.

    Ob ich noch etwas über den Erbauer rausfinde muss ich mal schauen. Es kommt aus der Region. Wir hatten damals sehr viele Orgelbauer. Friedrich Erdmann Petersilie der auch aus Langensalza kam hat ja damals eigentlich die romantische Orgel erfunden. Daher haben wir hier sehr lange Traditionen von Orgelbauern. Nur leider haben nicht viele bis heute überlebt.

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  • Sie müssen mir verzeihen, aber ich glaube wirklich nicht, dass es aus dem Jahr 1664 ist.

    Sie haben sicherlich einen schönen Job gemacht, aber es ist nichts anderes als ein Harmonium von 1930, vielleicht sogar jünger.

    Ein Finger zeigt auf den Mond.

    Schade für den, der auf den Finger schaut.

  • Ohne Witz, Haralder,

    ich würde es - falls das unter den Tasten bei dem Ding möglich ist - midifizieren und es nach einer wahnsinns Hybridvorführung s e h r teuer verkaufen. ?

    Es gibt viele, die auf so etwas stehen, antik für das gepflegte Wohnzimmer in Kombination mit High Tech. (Idealerweise noch mit Akustik-Stummschaltung ❗)

    Hab das mit einem Freund 2 mal mit Flügeln gemacht..... da kannst du locker.... naja, nicht gerade wie die ↘️.... ...


    ....aber durchaus 5-10 Jahre von heizen... ?

    Einmal editiert, zuletzt von Mikelectric (20. Oktober 2022 um 19:14) aus folgendem Grund: Werbung wurde entfernt, da der Beitrag von einem User als unerwünschter Inhalt gemeldet wurde.

  • Ein Harmonium zu Midifizieren sehe ich nicht als sinnvoll. Das Harmonium lebt ja von den Unstimmigkeiten im Klang und dem extrem starken Ausdruck. Ein normales Saugwind oder Druckwind wird man so nicht verbessern können. Eine Ausnahme wäre wohl das Kunstharmonium welches ja meist mit Motor kommt und eher einer kleinen Orgel ähnelt, sogar manchmal Orgelregister und Pedal besitzt.

    Ich persönlich favorisiere ja die Druckwind Tierchen. Wer einmal ein ordentliches Druckwind gespielt hat, der wird den Klang der Saugwind irgendwie schlechter sehen. Macht ja auch Sinn, während beim Saugwind der Klang quasi nach Innen geht, so kann beim Druckwind der Klang Außen sein Volumen entfalten. Bedauerlich ist aber, dass man Druckwind Tierchen so gut wie gar nicht mehr bekommt. Die Tierchen die es noch gibt, die kann man nicht bezahlen und die, die man bezahlen kann sind oft schlimmer als ein Totalschaden.

    In einer Kirche in der Nähe haben wir eins stehen, der Klang ist so großartig, dass man dort bewusst auf die Orgel verzichtet hat. Ich habe mich auf die Liste setzen lassen, nur für den Fall dass dieses Mustel irgendwann mal weg soll :)

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    • Offizieller Beitrag

    Hab mal auf einem Druckwindharmonium gespielt

    2 Manuale a 5 Oktaven und 30 töniges Pedal mit elektrischem Gebläse

    Der Klang ist superschön. Für eine Dorfgemeinde eher viel schöner als eine billige Digitalorgel. Ist eben kein Laursprecherklang, füllt den Raum und hat als Ersatz für eine Pfeifenorgel durchaus eine gute Daseinsberechtigung.

    Die D-Moll Toccata von Bach muss man wegen der relativ langsamen Tonansprache ja nicht unbedingt darauf spielen. Die Tonansprache aber bei Chorälen und Gemeindegesang hat ihren Charme

  • Die D-Moll Toccata von Bach muss man wegen der relativ langsamen Tonansprache ja nicht unbedingt darauf spielen. Die Tonansprache aber bei Chorälen und Gemeindegesang hat ihren Charme

    Ein Harmonium spielt man ja auch in der Regel sehr viel langsamer als die Orgel. Das Harmonium ist ja auch eines der Instrumente wo man sofort hört ob der Spieler weiß was er tut. Ich habe da schon so einige Dinge gehört wo ich den inneren Drang hatte dem Spieler mitten im Konzert einmal zu erklären wie das mit der Teilung des Manuals ist :)

    Die hohe Kunst ist ja wirklich auf mittlerer Lautstärke zu spielen. Immer so viel Wind damit die Töne konstant sind in einer Lautstärke. Ich habe einige Jahre gebraucht das zu perfektionieren. Dieser Spagat zwischen Lautstärke halten und dass trotzdem alle Töne ansprechen und keine wegbrechen. Gleichzeitig aber erahnen ob man nun mehr oder weniger Druck braucht wenn man mehrere Töne spielt, in die Höhe oder tiefe geht.

    Mein liebstes Stück ist übrigens das hier:

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    Ein Siegesgesang Israels (alla Händel) - Sigfrid Karg-Elert, gibt es in diversen Notenarchiven. Es gibt sogar Orgelfassungen. Meiner Meinung nach funktioniert das auf einer Orgel aber nicht so gut. Das Stück wirkt ganz kompliziert, ist aber tatsächlich sehr simpel wenn man das Prinzip verstanden hat. Ich spiele es gerne.

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  • Den Tremulant musste ich noch einmal ausbauen da ich den fehlenden Stift übersehen habe. Leider ist es unmöglich Rundhölzer in einer passenden Stärke zu bekommen und von Hand drehen will ich da nun auch wirklich nicht. Ein Kunststoff sorgt für Ersatz, da es im Gerät nicht sichtbar ist, kann ich damit leben.

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    Die Front habe ich mit neuen Stoff bezogen, der alte schwarze war zerrissen und mir gefällt Schwarz nicht. Ein helles Braun finde ich viel stimmiger. Davor habe ich noch die abgebrochenen Streben bündig abgesägt um später Ersatz einkleben zu können. Passendes Holz ist schon geordert. Der letzte Schritt wird sein das gesamte Holz noch zu polieren und zu ölen. Das kann auch gemacht werden wenn es zusammengebaut ist. Wobei das meiste lässt sich auch leicht bei Bedarf entfernen.

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    Alle Zungen habe ich gereinigt und geprüft. Ein C fehlt noch, dieses ist bestellt. Ein F# wurde scheinbar schon einmal getauscht, da es nicht zu Stimmung passt. Das Harmonium ist auf 432 Hz gestimmt, dieses eine F# aber auf exakt 440 Hz. Das es sich zufällig nach oben so genau verstimmt hat, halte ich für unwahrscheinlich. Da wird jemand getauscht haben. Eigentlich erstaunlich dass er/sie es nicht gehört hat. So einen schiefen Ton hört man doch sofort. Ich habe mich heute dagegen entschieden diesen zu stimmen, da die Ersatzzunge ohnehin gestimmt werden muss und ich nicht zweimal damit anfangen will. Aber mein kleiner Helfer steht schon bereit :)

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  • So, das Holz wurde heute von den letzten Farbresten und Verunreinigungen entfernt. Danach wurde es Geölt. Ich habe dazu eine Mischung aus Leinöl und einen Teil Essig genutzt. Ich habe mich dagegen entschieden die Oberflächen komplett zu erneuern und habe auch nicht alle Verfärbungen entfernt. Man soll dem Instrument ja weiterhin auch ansehen, dass es eine lange Geschichte hat. Diese kleinen Unregelmäßigkeiten geben doch einen viel größeren Charm als das Perfekte. Wenn das alles komplett eingezogen ist, dann werden die letzten Teile montiert.

    Als letzte Aufgabe bleibt dann die Überarbeitung des Stuhls.

    Arbeitszeit bis jetzt waren rund 50 Stunden.

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    Wie ein Spiegel :P

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  • Ich habe jetzt einmal über den Erbauer Albert Hofmann Halle versucht etwas zu erfahren. Herausgefunden habe ich folgendes:

    Gründung: 1895, Ende durch Tod: 1928. Also ein Erbauer der nicht sehr lange am Markt war. Daraus folgere ich, dass dieses Harmonium vermutlich zwischen 1900 - 1920 erbaut wurde.

    Was in diesem Kontext spannend ist, es handelt sich nicht wie zu erwarten um einen Orgelbauer, sondern um einen Klavierbauer, der auch ein Harmonium gebaut hat. Eine spannende Sache wie ich finde. Mehr konnte ich leider nicht herausfinden. Bei diversen Portalen findet man noch einige Klaviere von Albert Hofmann die recht hochpreisig gehandelt werden. Als Klavierbauer scheint er also durchaus gut gewesen zu sein.

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