Kleine Orgel mit großem Klang
Nachdem im Forum schon des Öfteren zum Thema Intonation, Orgelklang und Kirchenraum diskutiert wurde, möchte ich mit diesem Beitrag mal auf eine Orgel hinweisen die obwohl klein und eher unscheinbar mit nur einem Manual aber großartigem Klang daherkommt.
Die Orgel erklingt in der kleinen spätgotischen Kirche San Andrea (um 1505) in Chamues-ch im Engadin in der Schweiz. Der Kirchenraum erhielt seine erste Orgel erst 1998 erbaut von Arno Caluori mit einem Manual und 10 wundervoll klingenden Registern.
Disposition / Stop list:
Manual, C - f‘‘‘
1. Principel 8‘
2. Burdun 8‘
3. Octava 4‘
4. Flöta 4‘
5. Nasat 2 2/3‘ ab f°
6. Octav‘ota 2‘
7. Quinta 1 1/3‘
8. Cimbel 1‘
9. Piffero 8‘ ab c‘
Pedal C - d‘
10. Subbass 16‘ + 8‘
Pedalkoppel / Pedal coupler
Stimmung / Tuning: mitteltönig nach Valotti / mean tonal according to Valottipasted-from-clipboard.png
Diese Orgelrarität hat mein viel zu früh verstorbener Bruder Achim während einer Urlaubsreise in die Schweiz entdeckt und sich spontan von dem Instrument verzaubern lassen, sodass daraus einige sehr interessante CD Aufnahmen (ich glaube bisher die einzigen) entstanden sind, die ich hier gerne vorstellen möchte.
Der Wortlaut meines Bruders in den CD Booklets dazu:
Es begann mit der Suche eines Übungsinstrumentes während eines mehrwöchigen Urlaubaufenthaltes im Engadin in La Punt Chamues-ch. Ohne besondere Erwartung nahm ich im schönen inspirierenden Raum der Kirche San Andrea den ersten Kontakt zu dem kleinen einmanualigen Instrument aus der Werkstatt Caluori auf – und war sofort bezaubert. Gerade die großen Orgelwerke Bachs, die ich hier wieder einmal zu studieren gedachte verwandelten geradezu Instrument und Raum.
Spontan beschloss ich ein Konzert zu geben. Das Echo war überwältigend, und in einem darauffolgenden Gespräch mit einem Musikfreund und –Kenner keimte die Idee, diese außergewöhnlich gelungene Synthese von Orgel und Raum in einer Orgel-Porträt-Aufnahme zu würdigen.
In San ANDREA begegnet uns eine selten glückliche Verbindung einer herausragenden Orgelakustik mit einer zum Raum optimal korrespondierenden, ausgezeichnet gearbeiteten kleinen Orgel. Diese klingt viel größer als sie vom Registerbestand her tatsächlich ist. Die Akustik der spätgotischen Saalkirche ist sehr gleichmäßig und hat mit fast 5 Sekunden hörbarem Nachhall für ein Raumvolumen von nur 1000m³ einen bemerkenswert langen Atem. Dennoch zeigt sie sich ganz unaufdringlich: Die Orgel erstrahlt mit präziser Transparenz und artikuliert sehr differenziert.
Die Caluori‐Orgel in dem historischen Raum der San‐Andrea‐Kirche ist ein Glücksfall für die Orgelmusik. Selten spielen Raum und Instrument so innig miteinander, kommt der Atem der Musik so zur Geltung. Es ist erstaunlich, welche Klangpracht die kleine Orgel gerade bei den großen Orgelwerken Bachs zu entfalten vermag. Achim Goeres
Die erste CD dieser Reihe ist 2004 mit dem Titel „Klangzauber im Engadin“ erschienen anlässlich der 500 Jahr Feier von San Andrea. Die CD wird von Wiediscon vertrieben und ist aufgrund einer überschaubaren Auflage sicherlich nur noch in Restbeständen im Handel zu bekommen. Die CD ist im Multimediaformat erstellt mit einer virtuellen Kirchenraumansicht sowie interaktiven Orgelbeispielen und Erläuterungen zu den Orgelstücken und der Kirchengeschichte, wenn sie auf dem PC oder MAC gestartet wird während der CD-Player nur die Orgelstücke abgespielt.
In 2014 wurde die Reihe mit der CD „Klangzauber im Engadin II“ fortgesetzt. Diese CD wurde aus Eigenmitteln in begrenzter Stückzahl produziert. Die CD ist frei von Rechten dritter, sodass die Orgelaufnahmen dieser CD in der soundcloud nach dem letzten Wunsch meines Bruders frei verfügbar und downloadbar sind.
Die jährliche inzwischen fest etablierte Orgel-Konzertreihe in San Andrea wurde dann 2016 jäh unterbrochen, als mein Bruder auf seiner letzten Reise in die Schweiz von einem heimtückischen Gehirntumor getroffen wurde. Zurück in Berlin gaben ihm die Ärzte vielleicht noch ein halbes Jahr, sein Überlebenswille machten daraus noch zweieinhalb wertvolle Jahre in denen er trotz inzwischen deutlicher Einschränkungen mit großer Freude am Klavier und an seiner Orgel zu Hause für ein weiteres Konzert in der Schweiz übte und sich sehr freute, wenn ihm wieder einige Passagen aus den Orgelwerken noch oder wieder fehlerfrei gelangen.
Er war sehr berührt von dem Gedanken auch nach seinem Tod mit den Musik Aufnahmen etwas Lebendiges von sich hinterlassen zu können. Sein Leben erlosch am 24.12.2018 im Alter von nur 62 Jahren.
Mit diesem Beitrag möchte ich neben dem Hinweis auf eine bemerkenswerte Orgel auch sein Andenken bewahren und würdigen und wo sollte es besser aufgehoben sein als unter Orgelliebhabern.
Als promovierter Astrophysiker und Prozessmoderator war Dr. Achim Goeres sowohl in Forschung und Lehrtätigkeit an der TU in Berlin als auch als Coach, Trainer und Supervisor tätig.
https://www.hanuman-institut.de/ueber-uns/in-memoria Seine musikalische Ausbildung begann schon während seiner Schulzeit mit einer Ausbildung als Kirchenmusiker mit C-Abschluss. Parallel zu seinem Studium erweiterte er seine musikalische Ausbildung auch an der HdK in Berlin und konzertierte gelegentlich an der Orgel und am Klavier.
Hier nun die beiden CDs:
CD „Klangzauber im Engadin I“
https://dkunert.de/Klangzauber-im-Engadin
CD „Klangzauber im Engadin II“
Die einzelnen Orgelwerke der CD sind unter folgendem Link in der Soundcloud zu hören und auch downloadbar.
https://soundcloud.com/user-698061545…r-im-engadin-ii
Von dieser CD gibt es auch noch einen Bestand aus seinem Nachlass. Die CD enthält neben der unkomprimierten CD Tonqualität auch ein 20 seitiges Booklet mit Informationen zu Kirche, Orgelwerken und Registrierung in Deutsch und Englisch.
In der Soundcloud sind zudem weitere Konzertmitschnitte und Klavieraufnahmen von analogen Bandaufnahmen zwischen 1985 und 2000 zu finden.
Auf der vimeo Plattform
https://vimeo.com/155108676ist ein Video einer seiner Orgelaufnahmen aus San Andrea veröffentlicht. Es sollten noch weitere folgen, aber dazu ist es dann leider nicht mehr gekommen.
Gruß
Sylvia