Was hat es eigentlich mit dem Faltungshall auf sich?

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    Es gibt auch sogenannte "trockene" Samplesets, die ohne Hall aufgenommen sind. Eine Impulse Response (IR) Datei enthält nun das Impulspektrum des Aufnahmeraums, also den Hall. Zur Aufnahme einer IR wird praktisch ein Knall im Raum erzeugt und der entstehende Hall aufgezeichnet. Die trockenen Pfeifensamples werden dann sozusagen in dieser Hallaufnahme abgespielt und als Ergebnis wird wieder eine Orgel mit Hall hörbar.
    Das hat theoretisch und praktisch einige Vorteile. Ein Sampleset braucht so wesentlich weniger RAM, da nicht für jede Pfeife mehrere Sekunden Hall mit aufgezeichnet werden müssen, sondern nur einmal in der IR Datei. Auch die notwendige CPU Leistung wird deutlich geringer. So könnte man evtl. eine Orgel mit 50 Registern auch auf einem Mini-PC (Raspi ,ThinClient...) in guter Qualität spielen. Praktisch gibt es aber damit wieder andere Probleme und so sind derzeit die "nassen" Samplesets meist doch noch schöner, als trocken mit IR. Da tut sich aber die nächste Zeit sicher noch was.

  • Das ist sehr interessant. Ich kenne die Sets von http://www.binauralpipes.com/instrumente eine schöne kostenlose Sammlung. Dort wird wohl auch ein Faltungshall verwendet. Ich weiß nicht ob man da extra etwas bei GO einstellen muss und es daran liegt, aber von meinem Gefühl fehlt da der Raum.

    Die Aufnahmen welche dort als Beispiele dienen und mit GO aufgenommen wurden hören sich gut an. Bei mir wenn ich diese Sets lade kommt etwas ganz anderes heraus das sich nicht so Rund anhört.

    Vielleicht kann das jemand von euch mit etwas mehr Ahnung mal verifizieren ob es am Set liegt oder an meinen Einstellungen.

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  • Von einer Anzahl von Releases zu sprechen, ergibt hier eigentlich keinen Sinn. Es werden nicht drei oder hundert oder tausend Releases gespeichert, sondern ein einziger Release, nämlich der eines Dirac-Signals, mit dem die Releases beliebiger anderer Signale berechnet werden können, indem man diese in Dirac-Signale zerlegt und deren Releases addiert.

    auch wenn ich nicht alles verstehe, finde ich solches Hintergrundwissen interessant und es wird ja auch daraus deutlich, das IR was „besseres“ ist

  • Kann man den Faltungshall eigentlich auch dazu nutzen ein Sample ungenauer zu machen? Ich empfinde es nämlich bei Samples immer etwas störend das es immer zu akkurat ist. Also ich drücke eine Taste und der Ton erklingt immer gleich. Aber in der Realität wissen wir ja alle das eine mechanische Orgel in einem großen Gebäude alles andere als immer akkurat klingt weil der Hall und die noch im Raum befindlichen Töne ja die folgenden Töne auch noch beeinflusst.

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    Im Moment würde ich bezüglich Orgelsamplesets noch nicht so weit gehen zu sagen, dass trockene Samples mit IR Hall unbedingt besser sind. Das Problem mit den unterschiedlichen Releases für unterschiedlich kurze Tondauern ist für einen großen Hallraum sicher besser in den Griff zu kriegen.

    Die Theorie des Faltungshalls basiert auf einem mathematisch exakten Dirac Impuls. Die Frage ist aber, ob dieser so überhaupt erzeugbar ist? Als Impuls auslösende Schallquelle haben wir nur mehr oder weniger ungenau definierbare Schallerzeuger zur Verfügung: Lautsprecher, platzender Luftballon, Pistolenschuss, Hammerschlag, aufeinanderschlagende Holzbretter usw. wurden da bisher verwendet. Mit all dem kann man zwar einen Knall produzieren, aber eben keinen exakten Dirac Impuls. Die aufgenommene Impulsantwort (Hall) ist dementsprechend mehr oder weniger ungenau. Mit dieser gewonnenen ungenauen IR Hall Datei berechnen wir jetzt den Hall für unsere Pfeifen. Das was dabei rauskommt und auch zu hören ist, ist dann wiederum auch alles relativ ungenau.

    Es ist wesentlich einfacher, einen Pfeifenklang inklusive dem Hall aufzunehmen. Man muss nur das Aufnahmegerät laufen lassen und hat den Originalklang bestmöglich für jede Pfeife erfasst. Wird der Pfeifenton 1:1 wieder abgespielt, dann ist das Klangergebnis ziemlich optimal.

    Eine weitere Schwierigkeit steckt in der trockenen Aufnahme der Pfeife selbst. Wir nehmen theoretisch nur die Pfeife mit all ihren Nebengeräuschen auf, nicht aber die Intonation der gesamten Orgel. Es ist aber gerade die Kunst des Intonateurs, eine Orgel an bestimmten Hörpositionen wirklich gut klingen zu lassen. So besteht leicht die Gefahr, dass wir zwar ein Bündel sehr detailliert klingender Pfeifenaufnahmen haben, aber das Gesamtergebnis mit IR Hall, dann eben keine harmonisch abgestimmte Orgel darstellt. Hier müsste dann eine Intonation bestenfalls durch den echten Intonateur der Orgel, allenfalls durch den Samplesethersteller erfolgen. Im Moment liegt diese Intonation allerdings eher in der Verantwortung des Benutzers des Samplesets.

    Im Moment ist mir noch kein Sampleset bekannt, das mit Dry + IR wirklich besser klingt als das entsprechende Wet Set, was zumindest ein möglichst originalähnliches Klangbild anbelangt.

    Alles hat eben Vor- und Nachteile und es bleibt abzuwarten, welche Technik auf Dauer die besseren Möglichkeiten bietet.

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    Im verlinkten Artikel ist es beschrieben - Sweeps sind genau reproduzierbar und bieten die beste Qualität im Vergleich zu den anderen Verfahren.

    Der größte Vorteil bei Sweeps ist auch gleichzeitig deren größter Nachteil: Der Lautsprecher! Der Amplitudengang eines Lautsprechers lässt sich ja noch relativ gut ausgleichen. Bei den Phasenverschiebungen wird es dann schon happiger. Darüber hinaus gibt auch kein Lautsprecher wirklich ein reines Sinussignal an die Umgebung ab. Da gibt es immer mehr oder weniger starke Verzerrungen und damit harmonische und unharmonische Obertöne.
    Wenn das Verfahren mit Sweeps sicher auch besser zu kontrollieren ist als mit Knallereignissen, so treten eben doch auch da zusätzliche Verfälschungen auf, die sich dann auf sämtliche Pfeifensamples auswirken. Beim traditionellen Samplen inklusive Hall treten diese zusätzlichen Verfälschungen eben gar nicht erst auf. Es ist halt nicht alles Gold, was auf den ersten Blick glänzt.

    Das Set der Wiegleb Orgel von Prospectum müsste ja auch erst mal da sein, um es tatsächlich beurteilen zu können. Das kann dann erfahrungsgemäß eher noch lange dauern. Um vergleichen zu können, ob es mit Dry + IR tatsächlich besser ist als mit Wet Samples, müsste es auch als Wet Set vorhanden sein. Wenn dem nicht so ist, dann basiert alles auf subjektivem Empfinden oder auf gut Deutsch: Kaffeesatzleserei.
    Bisher konnte ich mich noch nicht dazu überwinden, für die Anloo nochmal Geld auszugeben. Wie Du schon sagst, macht das bei einem Raum mit wenig Hall ja auch kaum einen Unterschied.

  • Das ganze ist unheimlich kompliziert... Wenn ich nun ein Sampleset habe mit Faltungshall und dieses spiele, wo befinde ich mich dann in diesem Raum. Also wie definiert man nun an welchem Ort ich mich als Zuhörer befinde? Höre ich eher vom Spieltisch oder der Mitte des Raums? Kann man das überhaupt definieren?

    Dann ist die Frage wenn ich die Pfeife trocken aufnehme, wie definiere ich dann wo sich diese in dem Raum befindet, als z.B das dieser Ton vorne Links steht auf einer Höhe von 7 Meter. Das ist auch ein Punkt wo mich Samples noch nie überzeugen konnten. Ich finde es klanglich sehr beeindruckend mit dem passenden Stück und Terzstellungen das ich genau nachvollziehen kann von wo ein Ton kommt. Oben, unten links, ganz oben etwas neben der Mitte und so weiter. Bei Samples hatte ich diesen Eindruck noch nie. Ja es kommt mal mehr von Links oder Rechts. Aber das war es auch schon. Im Vergleich dazu mit Synthetischen Ansätzen wie Aeolus kann ich genau definieren wo sich ein Register im Raum befindet und wie es aufgeteilt ist. Da kann man dann auch wirklich neben links und rechts die Höhe und Entfernung hören.

    Um es auf die spitze zu treiben müsste ich also quasi die Schallausbreitung für jede einzelne Pfeife/Tonquelle zum Ziel einzeln ermitteln und berücksichtigen richtig? So was wäre dann wohl selbst mit den besten Systemen wohl kaum möglich.

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  • die Sache hat dann nur einen Schwachpunkte. Mit einem Faltungshall kann das ja nicht funktionieren. Nehmen wir mal an ich nehme den Faltungshall zum Arbeitsbeginn um 7 Uhr bei 15°C und nach vier Stunden ist es 5°C wärmer oder kälter geworden, dann geht es ja nicht mehr auf. Die Schallausbreitung verändert sich ja pro 1°C um einige Meter die Sekunde. Und wenn der Schall sich dann plötzlich 15m/s schneller oder langsamer ausbreitet, dann wird es doch nicht mehr stimmig sein.

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  • die Sache hat dann nur einen Schwachpunkte. Mit einem Faltungshall kann das ja nicht funktionieren. Nehmen wir mal an ich nehme den Faltungshall zum Arbeitsbeginn um 7 Uhr bei 15°C und nach vier Stunden ist es 5°C wärmer oder kälter geworden, dann geht es ja nicht mehr auf. Die Schallausbreitung verändert sich ja pro 1°C um einige Meter die Sekunde. Und wenn der Schall sich dann plötzlich 15m/s schneller oder langsamer ausbreitet, dann wird es doch nicht mehr stimmig sein.

    Die Sache mit dem Faltungshall hat sicher ihre Schwachpunkte, allen voran dass man eigentlich einen Dirac-Impulse von jeder Pfeife aus zu den Mikros senden müsste, das Problem mit dem Voicing etc.

    Allerdings ist der hier angeführte Punkt kein wirkliches Problem, das Ergebnis ist halt, dass es so klingt, wie die um 7:00 morgens und nicht um 11. Das hab ich aber bei der Aufnahme mit Hall im Raum genauso. Die Aufnahme wird meist nachts gemacht. Die Temperatur in großen Kirchen schwankt im Tagesverlauf auch nicht so wahnsinnig, die sind thermisch doch recht träge. Wesentlich größer ist der Unterschied zwischen leerer und gut besetzter Kirche. Hier würde ich mal sagen, dass alle "nassen" Samplesets bei leerer Kirche aufgenommen wurden und auch so klingen.

    • Offizieller Beitrag

    Hier würde ich mal sagen, dass alle "nassen" Samplesets bei leerer Kirche aufgenommen wurden und auch so klingen.

    Ich würde jetzt mal stark annehmen, dass trockene Samplesets und IRs auch bei leerer Kirche aufgenommen werden. Oder gibt es Samplesethersteller, die 500 hörgeschädigte Kirchenbesucher in Kauf nehmen? ;)

  • Wär doch mal spannend, wie die Gemeinde auf Schüsse aus einer Starterpistole reagiert :)

    Und wenn man das Nachts in der Kirche macht, ruft dann jemand die Polizei? "Ich hab Schüsse gehört! Ganz eindeutig! Aus der Kirche!"

  • Und wenn man das Nachts in der Kirche macht, ruft dann jemand die Polizei? "Ich hab Schüsse gehört! Ganz eindeutig! Aus der Kirche!"

    Na es wäre wohl so das jemand anruft und sagt er hat einen Schuss gehört und niemand auf die Idee kommen würde in der dunklen Kirche wäre die Quelle :)

    Bei uns wäre ich aber definitiv nicht im Gebäude wenn jemand schießt. Uns ist einmal ein Bücherregal umgekippt und die Bücher haben sich in der Akustik schon angehört wie ein ganzer Berghang der einen entgegenkommt. Selbst das zurechtrücken der Unterhose an der Orgelbank ist 70 Meter am Altar noch klar und deutlich zu hören :)

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  • Komisch, was so Mancher alles während des Gottesdienstes macht:saint:

    Einer der Kirchenöffner hat sogar schon ein Touristen-Paar beim Liebesakt auf der Nonnenempore erwischt... Nun über so was kann man ja noch schmunzeln, so lange es unbemerkt bleibt und kein Kind zufällig dazu kommt. Also ein Kind das zu Besuch dort ist, über Kinder die dadurch kommen könnten muss ich mich ja nicht sorgen :)

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  • Die müssen verwirrt gewesen sein. Wozu gibt es in der Kirche extra eine "Orgel"-Bank? :saint:

    Vor allem kann der Orgelspieler in der Regel die Empore hinter sich abschließen um ungestört zu sein. Und quietschende Geräusche aus der Orgel sind ja nichts ungewöhnliches wenn darin gearbeitet wird :) Ich schließe nach meiner Erfahrung mit einem Besucher immer hinter mir ab.

    Ich hatte einmal ein kleines Zwischenspiel gemacht, etwas Jazziger und er war wohl der Meinung das etwas mit einem Hauch von Jazz nicht in der Kirche gespielt werden sollte. Plötzlich stand er neben mir und greift ins Manual. Wäre es nicht mitten im Gottesdienst gewesen hätte ich ihn gleich an Ort und Stelle zur Schnecke gemacht...

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