Samplesets der Klosterkirche Maihingen von Pipeloops und Prospectum

  • Die (wissenschaftlich) physikalisch-akustische Frage lautet (nach meinem Verständnis): Können Hunderte gemessene IRs eines Raumes in korrekter Anbindung zu den Samples eine annähernd gute Gesamtrealisation der realen Eindrücke vermitteln?

    - Dass das bisherige Konzept des Wet-Recordings Schwächen hat, ist bekannt. Es ist physikalisch-akustisch nicht korrekt. Es stimmt vom Spieler aus gesehen noch

    noch nicht einmal in Bezug auf die Hallausbreitungsrichtung. Ich würde nach früheren Erfahrungen nie wieder ein Wet-Set ohne Perspektivenmischer einer

    großen Kirche kaufen!

    - Dass (extremes) Dry + 1(!) IR einfach nicht klingt, ja physikalisch-akustisch aus klaren Gründen nicht klingen KANN, ist hier im Forum nach vielem, jahrelangen

    Wunschdenken korrigiert worden.

    - Dass Hauptwerk bisher - trotz des schon über 1 Jahrzehnt alten Vorschlags von Gernot, der in erster Linie Forscher ist - Hunderte von IRs nicht an Samples

    anbinden kann, ist klar geworden. (Deshalb die vorübergehende (?) Realisierung in einem pro-forma-"Wet"-Set ohne IR von Hauptwerk, aber IRs intern)

    Richtig ist: Es geht heute nicht mehr um Speicherbedarf und PC-Ressourcen, sondern um eine weitere Annäherung an korrekter physikalischer

    Realisierung eines hochkomplexen akustischen Geschehens.

    Jeder neue Versuch ist willkommen und hochinteressant - und sollte nach meinem Wunsch hier im Forum auch von den tatsächlich damit Tag und Nacht Befassten, gerne erläutert werden.


  • Jeder neue Versuch ist willkommen und hochinteressant - und sollte nach meinem Wunsch hier im Forum auch von den tatsächlich damit Tag und Nacht Befassten, gerne erläutert werden.


    Da hier ja explizit Samplesethersteller angesprochen werden, versuche ich einfach mal, meine Erkenntnisse etwas zusammenzufassen. Dabei versuche ich, aus meinem Blickwinkel besondere Vorteile aber auch Schwierigkeiten beider Ansätze aufzuzeigen, wobei ich in Bezug auf den IR Approach nur aus dem theoretischen Blickwinkel schreiben kann, hier wäre sicherlich auch der Blickwinkel von Gernot Wurst sehr willkommen.

    Fangen wir mit dem „wet“ Approach an, mit dem ich mich ja doch recht gut auskenne.

    Plus:

    • Der Raumhall ist für jede einzelne Pfeife vollkommen natürlich
    • Die Aufnahme erfolgt mit vertretbarem Aufwand im Raum, es ist kein Betreten der Orgelgehäuse erforderlich
    • Die Aufnahmen erfolgen komplett von einer Mikrofonposition und mit einer Einstellung pro Kanalpaar, dadurch stimmen die Lautstärkeverhältnisse der Werke und Register im Raum ohne weiteren großen Voicingbedarf.

    Minus:

    • Theoretisch bräuchte man eine unendliche Zahl von Releasesamples, was natürlich praktisch nicht umsetzbar ist. In der Praxis reichen hier 3 Releases für die allermeisten Pfeifen, für sehr langsam sprechende Pfeifen (vor allem streichende Register und Principale in den unteren Oktaven) macht es Sinn, ein viertes Release hinzuzunehmen. (Auch durchschlagende Zungen wie die Clarinette sind gerne in den unteren Oktaven sehr langsam, extremes Beispiel Kaiserdom Königslutter).
    • Hoher Aufwand, die benötigten Releasesamples aufzunehmen und zu bearbeiten verbunden mit hohem Speicherbedarf (vor allem bei sehr halligen Räumen).
    • Schwierigkeit, die Releasesamples präzise einzuspielen. Dem kann man allerdings abhelfen, bei meinen neueren Sets kommt ein selbst entwickelter Tastendrückroboter zum Einsatz. Damit lässt sich der Tastendruck ms-genau steuern. Als weiterer Vorteil entfällt das Problem, dass man beim Samplen mitten in der Nacht kurz einnickt und nach dem Aufwachen nicht mehr weiß, welchen Ton man zuletzt gespielt hatte. Außerdem wird dann auch gleich ein MIDI-File synchron mitgeschrieben, in dem die exakten Zeitpunkte der Tastendrücke markiert sind. Das erleichtert das spätere Bearbeiten enorm.

    IR-Approach (wie gesagt, meine persönliche Sicht auf die Dinge, mehr nicht!):

    Plus:

    • Keine separaten Releasesamples erforderlich

    Minus:

    • Theoretisch müsste man ein separates IR für jede Pfeife verwenden, Annäherung hier durch eine mindestens große Zahl an IR erforderlich
    • Umsetzung in Hauptwerk bislang nur rudimentär, dies ist ja der Grund dafür, dass Prospectum beim Maihingen Set auf die Notlösung mit einem künstlich erzeugten Wet-Set zurückgreifen musste. Hier ist noch deutlich Entwicklungsarbeit in der Hauptwerk-Software notwendig. Das ist aber kein grundsätzliches Problem des IR-Ansatzes.
    • Pfeifen müssen sehr direkt aufgenommen werden, idealerweise vollständig ohne Raumanteil. Klingt zunächst einfach, ich sehe da aber ein paar grundsätzliche Schwierigkeiten. Zum einen haben Pfeifen ganz unterschiedliche Abstrahlcharakteristiken, manche strahlen eher in eine Richtung (z.B. Trompeten), andere vielleicht etwas mehr rundum. Das müsste ja dann der IR berücksichtigen. Und sehr große Pfeifen, z.B. ein 16‘ Principal, ist sicher kein Punktstrahler mehr. Gerade bei solchen Pfeifen gibt es eigentlich 2 Abstrahlpunkte, das Labium und die obere Pfeifenöffnung, die sich sehr unterschiedlich verhalten und erst im Raum gemischt den richtigen Pfeifenklang ergeben. Würde mich in der Tat sehr interessieren, wie das bei Prospectum gelöst wird.
    • Die direkte Aufnahme ist gerade bei großen Orgeln sehr viel schwieriger zu lösen, man muss ins Orgelgehäuse hinein und das Mikrofon eigentlich für jede Pfeife neu aufstellen.
    • Da die Aufnahmen der Pfeifen von verschiedenen Positionen erfolgen, bleiben die natürlichen Lautstärkeverhältnisse bei der Aufnahme nicht erhalten, ein deutlich größerer Voicing-Aufwand ist erforderlich.

    Zum Thema Denoising muss ich sagen, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass man das beim IR-Ansatz grundsätzlich wegfallen lassen könnte. Bei der Baumeister-Orgel ist es in der Tat so, dass die Windgeräusche erfreulicherweise extrem leise sind, sie sind im Raum nahezu unhörbar. Bei dieser Orgel kann ich mir schon vorstellen, dass bei einer sehr nahen Aufnahme ein Denosing tatsächlich nicht ntowendig ist. Bei anderen, vor allem bei großen Orgeln, sind die Windgeräusche aber oft so stark, dass man da sicher auch bei sehr nahen Aufnahmen ein Denoising benötigt, da ja die Lärmquelle üblicherweise NICHT der Gebläsemotor selbst ist, sondern die vielen vielen kleinen Leckagen, durch die permanent Wind ausströmt. Dieses Windgeräusch wird tatsächlich um so lauter, je näher ich an die Orgel herangehe.

    Zum Thema Perpektiven: Dies ist ein generelles Problem und vollkommen unabhängig vom Wet- oder IR-Ansatz. Hier sind einfach die Geschmäcker der Kunden sehr verschieden. In der Tat gibt es mehr Kunden, die den Klang im Raum wollen, es gibt aber auch die, die am liebsten das Gefühl haben, direkt am Spieltisch zu sitzen, was natürlich je nach Orgel auch problematisch sein kann. Es ist nicht wirklich angenehm, wenn einem der 1‘ vom Brustwerk in Riddagshausen um die Ohren bläst. Ich habe mich da beim Aufnehmen versucht wegzuducken, damit ich keine Ohrenschmerzen bekomme. Im Raum klingt es aber dann wieder ganz anders und durchaus angenehm.

    Das Mischen von Perspektiven macht aber in Hauptwerk auch wieder Probleme, unter anderem auch dadurch, dass Hauptwerk nur mit Stereosamples umgehen kann und die Zuordnung von Pfeifen zwischen vorne und hinten nicht möglich ist. Ein Effekt, der gerade beim Mischen zu Problemen führt, ist das Hauptwerk Samples mit einer minimalen zufälligen Verzögerung (wenige ms) abspielt. Hier hat leider weder der Nutzer noch der Samplesethersteller irgendeinen Einfluss drauf. Diese Verzögerung führt dazu, dass bei hohen Frequenzen vordere und hintere Samples mal in Phase und mal gegenphasig sind, und dass bei jedem Tastendruck anders. Für tiefe Frequenzen entfällt der Effekt. Die Wirkung daraus ist, dass Pfeifen bei wiederholten Anschlägen ihr Timbre ändern, wenn mehrere Perspektiven mit annähernd gleichem Level eingestellt sind, und dass der Klang insgesamt dunkler wird, wenn man die Perspektiven auf annähernd gleiches Level stellt. Das sollte man also versuchen zu vermeiden.

    Nun ist das ein sehr langer Post geworden, hatte ich gar nicht so beabsichtigt.

  • Zitat ReinerS:

    "Plus:

    • Der Raumhall ist für jede einzelne Pfeife vollkommen natürlich"

    Danke für deine Erläuterungen!

    Nur kurz von unterwegs:

    Das stimmt für einen Einzelton. Für den Zusammenklang von vielen Pfeifen stimmt es physikalisch-akustisch nicht.

    Je mehr desto "falscher".

  • Eigentlich doch. Rein physikalisch addieren sich Schallwellen, ohne sich gegenseitig zu beeinflussen. Was allerdings nicht berücksichtigt ist, ist die gegenseitige Beeinflussung der Pfeifen untereinander. Heißt, dass eine Pfeife in ruhiger Luft durchaus anders klingen kann, als wenn bereits eine Schallwelle mit etwa gleicher Frequenz wie ihrer Eigenfrequenz auf sie einwirkt. Darüberhinaus kommen sicher auch Wechselwirkungen über die Windversorgung zustande.

    Allerdings sind diese Effekte beiden Ansätzen (wet und IR) gemein. Ebenso fußen beide auf den physikalischen Grundlagen der Akustik, die eben unter anderem besagen, dass sich Schallwellen im Raum einfach addieren. (Und dabei je nach Phasenlage verstärken oder abschwächen)

  • Vielleicht laienhaft ausgedrückt: Für mein Hören entsteht in den Windladen durch Zusammenklang vieler Pfeifen durch zigtausende Berechnungen, Annäherungen, Beeinflussungen, Verstärkungen und Auslöschungen ein gemeinsamer Mischklang außerhalb der Lade, der dann erst in Interaktion mit dem Raum den realen Hall bewirkt.

    Der ist keineswegs die Summe der Hallfahnen der Einzelpfeifen.

    Auch aus diesem Grund (neben den Interferenzen...etc):

    Je mehr, desto falscher und unnatürlicher.

  • Je mehr, desto falscher und unnatürlicher.

    Nach meinem Dafürhalten sind es zwei Effekte, die dazu beitragen (und ja, grundsätzlich stimmt die obige Aussage von Dir!)

    Der eine Effekt ist die derzeit nicht modellierbare Interaktion zwischen den Pfeifen. Das geht mit dem Sampling-Ansatz nicht, egal ob wet oder IR. Physical Modeling könnte so etwas vermutlich mit berücksichtigen, aber bis das den Reifegrad erreicht hat um mit den derzeitigen Sample-Ergebnissen mitzuhalten, werden wohl noch ein paar Jahre ins Land gehen. Vom Prinzip her wäre es dort jedoch am ehesten möglich, diese Interaktionen zu modellieren. Das von Sonus Paradisi implementierte "Pipe Coupling" hat absolut nichts mit den realen Interaktionen zu tun. Hier wird der Effekt, dass sich Pfeifen bei gleicher Tonhöhe mehr oder weniger untereinander synchronisieren können lediglich dadurch simuliert, dass einfach alle Töne beim Drücken der Taste zunächst ein klein wenig verstimmt anklingen und dann die Verstimmung zurückgenommen wird. Also ein vollständig anderer Effekt.

    Das zweite ist der Unterschied zwischen der Addition der Töne (und Hallfahnen) im Raum und der rein elektrischen Addition auf wenigen Kanälen. Hier kommt es bei der elektrischen Addition zu Interferenzen und, aus meiner Sicht gravierender, die Töne im Raum entstehen ja an unterschiedlichen Positionen. Das heißt natürlich, dass sich schon die einfache Addition zweier Pfeifen im Raum anders verhält als rein elektrisch, denn bedingt durch die unterschiedliche Position der Pfeifen erhalte ich im Raum eine unterschiedliche Mischung der Phasen in Abhängigkeit von meiner Hörposition. Wenn also meine Ohren nicht exakt an der Mikrofonposition festgenagelt sind, ergibt sich bereits da ein Unterschied zur elektronischen Addition. Ich denke dieser Effekt ist es vor allem, der dazu beiträgt, dass sich ein Tutti insbesondere bei wenig Raumhall und über wenige Ausgabekanäle nicht wirklich natürlich anhört. Meine Erfahrung ist aber, dass dieser Effekt sehr stark mit der Hallstärke im Raum abnimmt.

  • Interessant in dem Zusammenhang sind meine beiden Uralt-Samplesets mit Samples von Peter Ewers der CC-Orgel in der Madeleine in Paris und der Schyven/van-Bever Orgel in der Liebfrauenkirche in Laeken. Hier wurden nämlich, allerdings aus rein technischen Gründen, nicht einzelne Register sondern Registerkombinationen bis hin zum Tutti aufgenommen. Damit hat man zumindest bei einzelnen gespielten Tönen genau diese realen Effekte mit eingefangen. Die beiden Sets sind zwar technisch absolut nicht auf aktuellem Niveau, die Samples wurden teilweise noch vor der Jahrtausendwende aufgenommen, aber besonders unter diesem Aspekt sind sie klanglich immer noch recht interessant. Gibt auch zahlreiche Klangbeispiele dazu auf meiner Webseite und auf Contrebombarde.

    Es ist schon was dran, dass der Samplingansatz diese diversen Mischeffekte nur unvollständig abbilden kann!

  • Liebe Forennutzer,

    ich habe zur Zeit viel zu tun - schreibe aber auch (hoffentlich) bald etwas, sobald ich Zeit finde.

    Kurz zu der Mehrwertsteuer: Ich habe vom Finanzamt die Information, dass beim Verkauf von Software der Ort der Leistungserbringung beim Kunden liegt und deshalb das sogenannte MOSS-Verfahren greift, bei dem jeder Kunde den in seinem (EU)-Land üblichen Steuersatz bezahlt. Man müsste dann theoretisch so viele verschiedene Bruttopreise angeben, wie es unterschiedliche Steuersätze in der EU gibt. Die Lösung ist, den Nettopreis anzugeben, dann die anfallende MwSt, und schließlich den Bruttopreis. Die Steuerberaterin, der ich das gezeigt habe, meinte, so sei es ok. Darauf muss ich mich als steuerrechtlicher Totallaie verlassen. Wenn jemand vom Fach ist und mich besser beraten kann, bin ich dafür natürlich dankbar.

    Und noch eine kleine Bitte: Ich bin bei Fragen per E-Mail erreichbar. Wenn Sie eine Frage haben, scheiben Sie mir gerne per E-Mail, weil ich nicht immer mitbekomme, was in den Foren geschrieben wird.

    Viele Grüße und bis bald :)

    • Offizieller Beitrag

    Die quasi-trockene Aufnahme direkt an der Pfeife halte ich überhaupt nicht für zielführend um eine reale Orgel abzubilden. Die vielfältigen Aspekte der aufwändigen Intonation einer Orgel gehen dabei zum größten Teil verloren und sind nicht in der Aufnahme enthalten. Es beschränkt sich doch nicht nur auf die Lautstärkeverhältnisse der Pfeifen untereinander. Diese könnte man ja noch mit viel Aufwand im Sampleset neu abgleichen. Das ist aber der kleinste Teil der Arbeit in der Intonationskunst. Die anderen verlorenen Informationen der Intonation sind auch nicht im IR enthalten. Woher sollten sie also jemals wieder kommen?

    Das Wet-Recording hat den elementaren Vorteil, dass die Intonation vollständig in der Aufnahme enthalten ist. Eigentlich ein KO-Kriterium, das auch von Physical Modeling niemals zu erreichen ist, wenn eine reale Orgel abgebildet werden soll. Eine nicht reale Orgel kann mit PM oder Dry+IR sicherlich einfacher erstellt werden. Es ist aber der enorme Aufwand zu berücksichtigen, eine künstlich erschaffene virtuelle Orgel dann nach traditionellen Gesichtspunkten intonieren zu müssen. Es gibt hierbei noch keine Verfahren auf digitaler Ebene, wie sie der handwerkliche Intonateur kennen würde.

    Die einzig theoretisch sinnvolle Möglichkeit beim Dry+IR Ansatz möglichst viele wichtige Informationen zu erfassen, ist das von mir oben schon beschriebene Verfahren, die IRs für jede einzelne Pfeifenposition im Gehäuse zu erzeugen. Damit sind die akustischen Verhältnisse sowohl des Raumes, als auch im Gehäuse mit erfasst, auf die hin der Intonateur jede einzelne Pfeife abgeglichen hat. Das jeweilige IR enthält dann tatsächlich Parameter, die für die Intonation relevant waren. Wenn dann noch das absolut trockene Pfeifensample, aufgenommen aus der Hörposition, hinzugenommen wird, dann bestehen m. M. n. die besten Chancen auf Samplesets mit echtem Zugewinn gegenüber der heutigen Technik. Leider ein riesengroßer, kaum vertretbarer Aufwand. In Verbindung mit einem Orgelneubau bei gleichzeitiger Anfertigung eines Samplesets am ehesten machbar.

    • Offizieller Beitrag

    Vielleicht laienhaft ausgedrückt: Für mein Hören entsteht in den Windladen durch Zusammenklang vieler Pfeifen durch zigtausende Berechnungen, Annäherungen, Beeinflussungen, Verstärkungen und Auslöschungen ein gemeinsamer Mischklang außerhalb der Lade, der dann erst in Interaktion mit dem Raum den realen Hall bewirkt.

    Der ist keineswegs die Summe der Hallfahnen der Einzelpfeifen.

    Auch aus diesem Grund (neben den Interferenzen...etc):

    Je mehr, desto falscher und unnatürlicher.

    Das ist hinreichend unter Stimmen und intonieren beschrieben.

    Nur ein Gedanke dazu.

    Wenn man Pfeife für Pfeife aufnimmt sind die Interaktionen mehrerer Pfeifen innerhalb und außerhalb der Windlade irrelevant. Diese Interaktionen treten bei der Aufnahme einzelner Töne gar nicht auf und beeinflussen somit nicht den Hall.

    Spielt man beispielsweise das volle Werk sind durch unterschiedliche Pfeifenansprachen viele Phasenlagen und Stimmungen im Spiel. Dabei sind die gegenseitigen Beeinflussungen in der Lade etc vernachlässigbar, die durch eine exakt ausgeführte Stimmung und Intonation noch dazu minimiert werden können.

    Dazu kommen im Hall Reflektionen und Schwingungsüberlagerungen die noch dazu wesentlich größer auf den Hall Einfluss nehmen als Interaktionen in der Lade

  • Was allerdings nicht berücksichtigt ist, ist die gegenseitige Beeinflussung der Pfeifen untereinander

    Das ist ja der Grund warum man eine Einspielung von einem Sampleset und einer Echten Aufnahme vor Ort ganz genau erkennt. Samplesets hören sich da anders an. Wenn ich einen Prinzipal alleine spiele, dann fällt das bei einem Sample nicht sonderlich auf, aber je mehr Register gleichzeitig erklingen, desto mehr hört man diesen typische Sampleklang heraus. Weil eben ein großer Schlussakkord auf der Tutti Orgel eben nicht Einzeltöne abgespielt sind, sondern eine Kombination von sich beeiflussenden Tönen aus verschiedenen Richtungen.

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    • Offizieller Beitrag

    Wir sollten nicht außer acht lassen, welches die größten Faktoren sind, die derzeit den Unterschied zwischen einem Sampleset und einer Orgel-Aufnahme oder gar einer realen Orgel ausmachen. Das ist die begrenzte Anzahl von Releases beim Wet-Recording und die bisher deutlich zu geringe Anzahl an IRs bei Dry+IR. Das Problem der gegenseitigen Pfeifenbeeinflussung durch unterschiedliche physikalische Vorgänge ist für mich nachrangig, denn das bekommen wir mit keinem der beiden Samplingverfahren gelöst.

    Die weitaus größten hörbaren Unzulänglichkeiten liegen sowieso bei der Abstrahlung. Vor allem Raumbeschallung mit halligen Samplesets verdirbt so viel, dass es beinahe müßig ist, überhaupt über Verbesserung der bisherigen Sampletechnik weiter nachzudenken. Ein wirklich lohnender Denkansatz zur Verbesserung der virtuellen Orgel wäre aus meiner Sicht eher, eine Art "Normabstrahlung" zu definieren, nach der sich Samplesethersteller bei der Abstimmung ihrer Sets richten können. Nur wenn bekannt ist, wie die Eigenschaften der Abstrahlung des Benutzers genau aussehen, kann überhaupt ein Sampleset erstellt werden, das einen vorhersehbaren Klang erzeugt. Ansonsten bleibt es wie bisher ein Lotteriespiel, welches Sampleset sich mit welcher Musik auf welcher Abstrahlung besonders gut oder schlecht anhört.

    Ein Ansatz in dieser Richtung sind ggf. die älteren Stereo-Samplesets von OAM, wenn man sie mit dem selben Kopfhörer benutzt, mit dem Prof. Maier sie abgemischt hat. Damit klingen diese Sets m. M. n. außerordentlich gut, aber mit Raumbeschallung hingegen deutlich schlechter. Die jüngsten Entwicklungen mit immer mehr gesampleten Kanälen bieten für die Klangqualität als solches keine Vorteile, sondern aus akustisch-physikalischer Sicht nur Nachteile. Der Vorteil ist, dass sich jeder seine "Hörposition" und seine Halldauer nach seinem Geschmack einstellen kann. Der Nachteil sind unkalkulierbare, unschöne klangliche Effekte durch Überlagerungen. Im Zweifelsfall ist der Anwender dann eben selber schuld, wenn es nicht "gut" klingt, weil er halt seine vielen Kanäle komisch eingestellt hat und der Sethersteller ist somit aus dem Schneider.

    Wenn Mehrkanalaufnahmen, dann müsste eine vorgegebene Abhörsituation vorliegen, die quasi aus einer definierten Hörkammer mit festgelegten Lautsprechertypen und Lautsprecherpositionen besteht, auf die hin ein Sampleset optimiert werden kann. Meines Erachtens am ehesten mit einer definierten Nahfeldbeschallung praktikabel zu erreichen. Ansonsten vielleicht in Zukunft Midispieltische in einer Art Saunaraum mit definierten Abmessungen und Dämpfungselementen einbauen. Das erhöht auch sicher den Akzeptanzfaktor der Mitbewohner, wenn so etwas dann im heimischen Wohnzimmer steht. ;)

  • n Ansatz in dieser Richtung sind ggf. die älteren Stereo-Samplesets von OAM, wenn man sie mit dem selben Kopfhörer benutzt, mit dem Prof. Maier sie abgemischt hat. Damit klingen diese Sets m. M. n. außerordentlich gut, aber mit Raumbeschallung hingegen deutlich schlechter.

    Ich persönlich würde ohnehin behaupten, dass man mit Kopfhörer die besten Ergebnisse erzielen kann. Ein Kopfhörer ist ja eine Konstellation die berechenbar ist und wo keine Verfälschung durch den eigenen Raum oder die Sitzposition entstehen können. Aber das beste Stereoset wird wohl von den Nerds zerrissen werden, weil keine keine 5+ Kanäle hat und daher ja doof sein muss.

    Das ist die begrenzte Anzahl von Releases beim Wet-Recording

    Im Grunde ist das ganze eh Realitätsfern. Bei der Aufnahme eines Tons wird ja nur dieser eine Ton gespielt. Er wird also immer bei Idealen Verhältnissen gespielt. In der Praxis spielt man aber auch Töne wenn der Wind mal schwankt weil gerade viel los ist und das verändert ja auch die Ansprache.

    Ich selbst denke dass die Hersteller der Sets den falschen Weg eingeschlagen haben. Das Ziel eine Orgel so Nahe am Original abzubilden ist ja aus vielen Gründen nicht möglich. Das weitaus bessere Ziel wäre doch ein Set zu erstellen was der aufgezeichneten Orgel ähnlich ist, aber auf den Klang und das Zusammenspiel optimiert ist. Dann klingt sie eben etwas anders. Aber lieber etwas sehr gutes was dem Vorbild ähnelt, als was mittelmäßiges was sich zwar nahe daran anhört, aber keinen Spaß macht.

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    • Offizieller Beitrag

    Ein Kopfhörer ist ja eine Konstellation die berechenbar ist

    Unterschiedliche Kopfhörer klingen auch alle sehr unterschiedlich - selbst im teuren High-End Bereich. Ein Sampleset könnte ggf. für z. B. drei bestimmte Kopfhörer optimiert werden. Ein billiger, ein mittelpreisiger und ein teurer. Den aktuell verwendeten Kopfhörer stellt man dann im Menü ein. Wenn der Samplesethersteller genau die drei gleichen Kopfhörer zur Verfügung hat, könnte das etwas werden. Die Frage ist nur, ob die Sethersteller diesen nicht unerheblichen Aufwand betreiben würden? Wenn die Nachfrage entsprechend groß wäre, dann sicher. Lieber würde ich für so ein Feature Geld ausgeben, als für viele Kanäle, wenn ich sowieso aus obigen Gründen nur Stereo benutze.

    Ich selbst denke dass die Hersteller der Sets den falschen Weg eingeschlagen haben. Das Ziel eine Orgel so Nahe am Original abzubilden ist ja aus vielen Gründen nicht möglich. Das weitaus bessere Ziel wäre doch ein Set zu erstellen was der aufgezeichneten Orgel ähnlich ist, aber auf den Klang und das Zusammenspiel optimiert ist. Dann klingt sie eben etwas anders. Aber lieber etwas sehr gutes was dem Vorbild ähnelt, als was mittelmäßiges was sich zwar nahe daran anhört, aber keinen Spaß macht.

    Mehr als eine gewisse Ähnlichkeit zum Original haben wir bisher ja auch nicht. Optimierung auf Klang und Zusammenspiel gibt es auch bereits bei etlichen Samplesets, vor allem wenn man weiß, womit der Sethersteller abgemischt hat und man mit ähnlicher Abstrahlung hört.
    Die virtuelle Orgel wird immer nur eine Suggestion einer realen Pfeifenorgel bleiben. Die Kunst des Setherstellers besteht darin, uns diese Orgel plausibel näher zu bringen und eine Spielfreude in uns auszulösen. Ob das gelingt, hängt von vielen Faktoren ab. Die Abstrahlung ist bisher der unkalkulierbarste Faktor.

    Es gibt immerhin etliche Samplesets, die mein Herz erobern konnten (z. B. Nagold) und mir immer wieder aufs Neue Freude bereiten. Das ist doch schon was. Es bedeutet nicht, dass man das nicht trotzdem in deutlichen Nuancen verbessern könnte.

  • Die Abstrahlung ist bisher der unkalkulierbarste Faktor.

    Da haben Synthetische Lösungen den Vorteil, dass es einfach ein Parameter ist welchen man beliebig den Gegebenheiten anpassen kann. Bei einem Sample ist das ja mehr oder weniger Fix beim abmischen. Wobei es theoretisch ja denkbar wäre sofern die Software das mitmacht dieses Abmischen erst beim Kunden nach seinen Parametern beim ersten laden der Orgel durchzuführen. Wobei das jetzt vermutlich eine absurde Idee vom Laien ist die praktisch wohl unheimlich kompliziert wäre. Vermutlich will der Nutzer auch nicht beim ersten Start eine Stunde oder länger je nach System warten :)

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    • Offizieller Beitrag

    Da haben Synthetische Lösungen den Vorteil, dass es einfach ein Parameter ist welchen man beliebig den Gegebenheiten anpassen kann.

    Das stimmt. Nur muss man nicht darüber diskutieren ob WET oder IR mit allen Gegebenheiten das physikalisch bessere System zur Hallaufbereitung / Halldarstellung ist wenn man Parameter generell nach eigenem Gefallen einstellen kann. Dann stellt man sich den Hall über ein Parameter eben auch nach Wunsch ein.

    Das ist legitim. Jedem von uns soll das Spielen auf der Orgel Spaß machen.

    Alle Systeme bilden das Original der "Pfeifenorgel" sehr gut ab und geben teils dem Anwender der das Original (bis auf die Abstrahlung) weitgehend dem Original angelehnt bevorzugt ein schönes Set. Oder dem Anwender, der sich einen eigenen schönen Klang einstellbar gestalten möchte eine gute Voraussetzungen auch dafür.

    Die Abstrahlung im Raum via Lautsprecher oder über Kopfhörer wählt dann auch jeder selbst.

    Trotzdem ist es auch sehr verständlich wenn über die letztmöglichen Verbesserungen von Sets mit allem Für und Wider diskutiert wird.

    • Offizieller Beitrag

    Da haben Synthetische Lösungen den Vorteil, dass es einfach ein Parameter ist welchen man beliebig den Gegebenheiten anpassen kann.

    Das schon - nur leider klingt bisher keine synthetische Lösung auch nur ansatzweise so gut wie ein gutes Sampleset. Ich bin auch skeptisch, ob das jemals anders werden wird. :) Das Intonieren dem Kunde zu überlassen ist auch keine gute Lösung. Der Anwender dreht dann an irgendwelchen Parametern, ohne zu wissen, wann er möglichst nahe am Klang seines Originals angekommen ist, da er das Original in der Regel ja nicht kennt. Ein Sampleset sollte out-of-the-box verwendbar sein und gut klingen, ansonsten haben wir so eine Situation wie bei den Digitalorgeln, wo die Nerds nur noch damit beschäftigt sind die "Intonation" zu "verbessern". Die anderen lassen ggf. den Verkäufer "intonieren", in der Hoffnung, dass dieser eine Ahnung hat.

    Abgesehen davon reden wir hier ja nicht von Orgeln, die irgendwie nach Orgel klingen sollen, sondern versuchen, reale Orgeln möglichst authentisch virtuell spielen und hören zu können. Das ist ein entscheidender Unterschied. Sonst bräuchte man den Aufwand mit Sampling ja nicht betreiben, sondern könnte einen Synthesizer nehmen.

  • Mikelectric 18. November 2022 um 08:59

    Hat den Titel des Themas von „Pipeloops kündigt zwei Samplesets an (Regensburg Dreineinigkeitskirche und Klosterkirche Maihingen)“ zu „Samplesets der Klosterkirche Maihingen von Pipeloops und Prospectum“ geändert.
  • Ich verfolge diese Diskussion mit enormen Interesse, zumal ich elektroakustischer Volllaie bin. Ich „bastele“ jetzt seit ca. einem Jahr mit HW herum und versuche, mit unterschiedlichen Abstrahlungssettings einen meinem Anspruch entsprechenden Klang zu gewinnen - bisher leider recht erfolglos. Ich habe festgestellt, dass es fast egal ist, ob es nun 4-, 6- oder 8-Kanalsamples sind. Mittlerweile benutze ich jeweils nur noch eine Perspektive, bei PG sind es die „close“, bei SP auch die „Front“, das variiert etwas. Tuttiklänge funktionieren generell nicht zufriedenstellend, bei Samples nicht, aber auch bei meinen alten, noch intakten Ahlborn-Originalklängen nicht. Das geben die Lautsprecher einfach nicht her. IR überzeugt mich persönlich klanglich überhaupt nicht. Ich ertappe mich mittlerweile dabei, dass ich häufiger wieder mit den alten Ahlborn-Sounds übe und spiele - was mich gleichzeitig natürlich in Bezug auf HW sehr nachdenklich stimmt. Ein 8.3-System kann und will ich gar nicht betreiben. Am Ende gewinnt dann doch der Kopfhörer, den kann und will ich aber auch nicht dauerhaft auf den Ohren haben… Von daher kann ich die Anmerkungen, die hier zu Physis gemacht wurden, durchaus gut nachvollziehen. Ich weiß noch nicht, wo ich letztlich landen werde… Wahrscheinlich wieder in der Kirche - aber das wohl erst wieder im Frühsommer???

    Grüße von Thomas - Mechanische Kegellade

  • Von daher kann ich die Anmerkungen, die hier zu Physis gemacht wurden, durchaus gut nachvollziehen.

    Physis funktionieren finde ich mit Lautsprecher sehr viel besser, wohingegen es mit Kopfhörer eben nicht gut funktioniert. Da hört man das künstliche sehr stark. Bei Samples ist es quasi meist anders herum. Diese funktionieren mit Kopfhörer meist besser als mit Lautsprecher.

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