Wozu erziehen Fugen?

  • Wunderschönes Fugenthema:

    Kleine Fuge G Moll BWV 578

    Wie immer herrliche Aufnahme der Netherlands Bach Society ?

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  • Ja die Fugen - viele mag ich nicht, weil sie mich klanglich nicht so begeistern. Aber sie sind zweifelsohne eine größere Herausforderung als so manches Präludium oder Toccata.

    Ich will es mal so beschreiben: Jede Stimme geht ihren eigenen Weg und durch das begleiten und umspielem des Fugenthemas entsteht für unser Hirn eine erhöhte Komplexität. Wie Rainscho sehr schön erläutert hat, sind die Einzelstimmen nicht auf Akkorde ausgerichtet, sondern haben in dem Klanggebilde eine andere Bestimmung.

    Anfangs ist man bemüht, das Werk fehlerfrei zu spielen und erst mit einer trainierten/automatisierten Begleitung, die unser Hirn nicht mehr so belastet, kann man das Fugenthema etwas gelöster herausarbeiten.

    Allerdings mache ich die Erfahrung auch ohne Fuge, d.h., eine etwas komplexere Stimmführung nimmt mein Hirn derart in Beschlag, dass ich z.B. während des Spiels eine Melodie gar nicht mehr erkenne, weil ich mit dem Satz insgesamt beschäftigt bin. Erst wenn die Einzelstimmen so langsam automatisiert

    spielen können, kann man das Werk genießen und ggf. einer Hauptmelodie etwas mehr Aufmerksamkeit widmen.

  • Ich Glaube eine Fuge muss man auch anders üben als andere Stücke. Ich würde zuerst eine Melodie einzeln üben, dann die anderen und wenn ich den Klang davon verinnerlicht habe versuchen zu einer Melodie die zweite gleichzeitig in die Hand zu bekommen und so weiter. Da braucht man teilweise Kreativität beim Fingersatz um fiktiv vier Melodien in zwei Hände zu bekommen. Wenn ich nun überlegen muss weicher Finger von welcher Hand gerade was tun muss, dann merke ich schnell wie mein Gehirn mir den Mittelfinger zeigt ?

    Aber gut, man sollte nicht mit den großen Fugen anfangen glaube ich.

    Melodeum.de - Wissenswertes zu Harmonium

    • Offizieller Beitrag

    @ Haralder ich stimme dir zu. Auch das mit dem Hirn und Mittelfinger:D

    Ich übe zunächst die Fugen Themen in den verschiedenen Lagen. Dann die "Beglleitung" der Themen.

    Und konzentriere mich darauf wo sie auf den nächsten Fugenthemeneinsatz hinführen.

    Dann wird deutlich abgesetzt. Das Thema setzt ein und mit ihm Begleitung und Gegenthemen.

    Das muss man lange üben. Der Zuhörer und man selbst muss den Drang zum nächsten Themeneinsatz verspüren. Spannung baut sich auf. Und endlich kommt der Einsatz. Die Spannung nimmt ab, man hört zu. Und schon steigt sie wieder durch die Hinführung zum nächsten Thema und man erwartet ihn fast sehnsüchtig usw.

    Absolut spanned, besonders für den Spieler.

    Dieses wechselnde Spannungsfeld meine ich mit

    Vorbereitung auf den Themeneinsatz.

    Keine Sorge, ich bin auch Durchschnitt und muss das üben

    • Offizieller Beitrag

    Da hast du völlig recht. Ich hab bissl das Problem, dass ich erst mit 21 angefangen habe. Durch den Beruf steife Finger. In der Anfangszeit hab ich dann 3 mal die Woche je bis 5 Stunden geübt.

    Mir hilft das Mitsingen der Stimmen beim üben.

    Aber wie du schreibst.

    Mal eben eine Fuge spielen die sich auch anhört ist wohl nicht

    Aber auch einige aus dem 8. Band gut artikuliert zu spielen braucht Konzentration und Übung.

    Manche tun den 8. Band als zu einfach etc ab. Und so werden dann auch die Stücke teils runtergerattert. Schade eigentlich

  • Aber auch einige aus dem 8. Band gut artikuliert zu spielen braucht Konzentration und Übung.

    Manche tun den 8. Band als zu einfach etc ab. Und so werden dann auch die Stücke teils runtergerattert. Schade eigentlich

    So ist es. Mein Lehrer hat mich mit dem 8. Band in die Materie von Präludium und Fuge eingeführt. Nicht alle habe ich gespielt. Bald ging es an das kleine C-Dur (die Nr. 1 im 2. Band von EP), das gleichfalls die erste Fuge war, die mir richtig Spaß gemacht hat. Die vorher waren sicher schön, aber so richtig Biss hatten sie auch nicht.

  • Vorsicht.

    Erstens: Weder handelt es sich bei der Fuge um eine Form noch um eine Gattung. Die Fuge ist ein Kompositionsprinzip.

    Zweitens sollte man bei jeder Musik auch horizontal denken und genau hinschauen, was man da vor sich stehen hat.

    Der Choral zu Beginn Mendelssohns 6. Orgelsonate sieht aus wie eine Aneinanderreihung von Akkorden. Wenn man das dann aber genau so spielt, dann kommt nichts bei raus. Auch da gibt es Stimmen, deren Verlauf man horizontal lesen muss.

    Die These Präludien wären einfacher zu spielen als Fugen halte ich für sehr unseriös. Letztlich kommt es, ich spreche jetzt nur von Barockmusik, bei allen Werken auf dasselbe an: gleichmäßiger, aber dennoch flexibler Puls, ein erkennbares Metrum, Artikulation (dazu wichtig: Das Erkennen und Umsetzen von Figuren und ausgeschriebenen Diminutionen), und vor allem Phrasierung.


    Meine Chorleitungsprofessorin im Studium sagte mir oft: „Phrasierung ist Seelenrichtung.“ - klingt zunächst total nach Esoterik. Aber wer nicht phrasiert (nein, wer unreflektiert phrasiert) spielt leblos.

    Musik ist voll von Ambivalenzen. Diese dann hörbar zu machen ist immer eine Herausforderung, egal ob Präludium, Fuge, Trio oder Bicinium. Es gibt so oft in der Musik z. B. ein auftaktiges Motiv im Bass, dessen Geste durch ein Crescendo unterstreicht werden kann. Gleichzeitig hat der Sopran ein abtaktiges Motiv im Diminuendo, Alt und Tenor bilden 7-6-Vorhalte, was auch immer.


    Ich würde das Thema also eher unter „Was lehrt uns die Musik?“ auffassen. Sie lehrt uns sorgfältig zu sein und nicht immer der Offensichtlichkeit sofort aufzuspringen. Es gibt nirgends entweder oder oder absolute Wahrheiten.

    Amen.