Physistechnik im Vergleich zu Samplesets

  • Wird eine Orgel für HW/GO-Sets mit weit auseinanderstehenden Pfeifen aufgenommen entstehen natürlich Phasenverschiebungen

    Nicht unbedingt. Phasenunterschiede zwischen dem linken und rechten Kanal werden dadurch verursacht, dass sich ein Mikrofon näher an der Schallquelle befindet als das andere. Wir können Ton auch ohne Phasenunterschiede in Stereo aufnehmen, wenn wir ein Mikrofon-Setup verwenden, bei dem beide Mikrofone gleich weit von der/den Schallquelle(n) entfernt sind. Möglich ist dies beispielsweise mit einem sogenannten XY-Setup mit zwei Mikrofonen im Winkel von 90o.


    XY_stereo.png

    Mit den Lautstärkeunterschieden zwischen linkem und rechtem Kanal ist die Platzierung des Schalls in zwei Dimensionen (Stereo) eindeutig festgelegt. Hierfür sind keine Phaseninformationen erforderlich.

    Warum dann auch andere Mikrofon-Setups wie ORTF, NOS oder Binaural?

    Es hat damit zu tun, wie wir hören. Wir können nicht nur Unterschiede in der Lautstärke zwischen links und rechts hören, sondern unser Gehör reagiert auch empfindlich auf Unterschiede in der Ankunftszeit (= Phase) des Schalls. Mikrofon-Setups wie ORTF, NOS und insbesondere Binaural (mit Kunstkopf) machen sich diese Eigenschaft zunutze und ahmen unser Hören mehr oder weniger nach. Dies macht diese hervorragende Aufnahmetechnik aus, wenn wir den Ton so reproduzieren wollen, wie wir ihn in der Mikrofonposition hören würden. Letzteres deutet auch an, wo die Grenzen dieser Aufnahmetechniken liegen, eine feste Hörposition (Perspektive) gehört dazu. Dadurch eignen sich Aufnahmen mit diesen Techniken besonders gut für CD-Aufnahmen und Rundfunkkonzerte. (ORTF und NOS sind Rundfunkgesellschaften.)

    Auch zum Sampling werden Mikrofonanordnungen mit beabstandeten Mikrofonen verwendet.

    Für das Abtasten des Nachhalls ist die Mikrofonanordnung nicht kritisch. Der diffuse Klang der Reflexionen der Orgeltöne ist voller Phasenverschiebungen.

    Anders verhält es sich aber beim Sampling des Direktschalls. (trocken/halbtrocken).

    Einige Sample-Sets bieten die Möglichkeit, Aufnahmen von verschiedenen Mikrofonpositionen zu mischen, um Zwischenpositionen zu simulieren. Bei Samples, die ortsspezifische Phaseninformationen enthalten, ist die Frage, ob das so eine gute Idee ist.

    Wir haben bereits gesehen, wozu es in Bezug auf die tiefsten Orgeltöne führen kann, wenn wir Samplen in kurzen Abständ (trocken/halbtrocken) aber auch bei höheren Tönen kann die Phasenverschiebung unerwünschte Auswirkungen haben, wenn die Mikros im Verhältnis zum Abstand zu den Pfeifen zu weit auseinander stehen. Dann hört man die Pfeifen links von der Mitte nur ganz links und die Pfeifen rechts von der Mitte nur ganz rechts (in manchen Samplesets erkennbar). Und dann haben wir noch nicht einmal Trockensets erwähnt, von denen der Hersteller selbst abrät, sie zu Hause zu verwenden.

    Die Verwendung von Mikrofon-Setups wie ORTF und NOS etc. stammt aus der Zeit, als die gesamte Tonverarbeitung noch analog war. Bei der Wiedergabe ohne bearbeitung klingt eine ORTF- oder NOS-Aufnahme breiter als eine Aufnahme mit XY-Setup. Das ist auch heute noch einer der Hauptgründe für die Wahl.

    Aber das ist, wie bereits erwähnt, nicht nötig: Die XY-Aufnahme enthält eindeutig alle zweidimensionalen Informationen über die Position des Schalls. Für einen Computer reicht das aus, um den Klang so zu berechnen, wie wir ihn an verschiedenen Positionen im Schallfeld hören würden, einschließlich der Phasenverschiebung an diesem Ort, wie wir ihn (aufgrund des Abstands zwischen unseren Ohren) erleben würden.

    XY-Recording bietet somit eine große Flexibilität bei der Anpassung des Klangbildes an die Hörposition (die in den VPOs besser ausgenutzt werden könnte).

    Die große Flexibilität von XY (oder anderen "coincidental" Aufnahmetechniken) sehe ich auch als wichtigen Vorteil für die Weiterentwicklung von VPOs.

    Um das Potenzial des Faltungshalls auszuschöpfen, benötigen wir geeignete Trockensamples. XY-Sampling könnte hier eine Lösung bieten. Mit einem XY-Aufbau können Sie in einem Abstand zur Orgel sampeln, der etwa der halben Breite der Orgel entspricht.

    Aber es könnte noch besser sein. XY ist Stereo, also zweidimensional. Der Klang einer Orgel ist dreidimensional. Was mit XY in zwei Dimensionen möglich ist, kann mit Ambisonics in drei Dimensionen erreicht werden. Ambisonics ist alt, hat aber in letzter Zeit durch die Entwicklungen im Bereich VR viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Das gilt auch für die Mikrofone, mit denen Sie vier- oder sogar achtkanalige Aufnahmen ohne nennenswerte Phasenunterschiede machen können.

    Ambisonics-microphones-from-left-to-right-Sennheiser-AMBEO-Core-Sound-TetraMic QuadroMic.png

  • Ich sehe bei diesen Mehrkanalaufnahmen immer das Problem das es eben nicht immer Stimmig ist. In einem Gebäude reflektiert ja alles den Schall und alles beeinflusst seine Ausdehnung. Da reicht auf der einen Seite ja schon eine Bank die zusätzlich oder anders steht um den Schall der von dort kommt zu beeinflussen.

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    • Offizieller Beitrag

    Also, ich nehme zwei Mikrofone im Abstand von 5 Metern nebeneinander und nehme einen 32 Hz-Ton auf. Diese Pfeife steht ganz rechts in einem 10 Meter breiten Orgelgehäuse.

    Es ging ja um Phasenverschiebungen zw. Links und rechts.

    Und dass Bässe im Physikal-Modelling sauberer klingen.

    Das liegt bei gleicher idealer Mikrofonaufstellung im gleichen Raum an der unterschiedlichen Bearbeitung.

    Die Gegebenheiten verschiedener Mikrofonaufstellungen und ihrer Kennlinien sind mir bekannt.

  • Also, ich nehme zwei Mikrofone im Abstand von 5 Metern nebeneinander und nehme einen 32 Hz-Ton auf. Diese Pfeife steht ganz rechts in einem 10 Meter breiten Orgelgehäuse.

    Es ging ja um Phasenverschiebungen zw. Links und rechts.

    Und dass Bässe im Physikal-Modelling sauberer klingen.

    Stimmt. Ich weiß nicht, wie das genaue Mikrofon-Setup mit dem Sample war, das ich als Beispiel verwendet habe, aber ein solches Mikrofon-Setup würde tatsächlich eine Phasenverschiebung erzeugen, bei der der linke Kanal und der rechte Kanal für den 32-Hz-Grundton ganz oder teilweise entgegengesetzt sind, was zu Lasten des Basssignals geht.

    Dies kann jedoch durch die Verwendung eines anderen Mikrofon-Setups vermieden werden und ist somit kein Nachteil des Systems.

    Zitat


    Das liegt bei gleicher idealer Mikrofonaufstellung im gleichen Raum an der unterschiedlichen Bearbeitung.

    Ich bin davon ausgegangen, dass in der Physis-Technik keine Orgel Pfeife für Pfeife vor Ort aufgenommen wird und somit von einer Mikrofonaufstellung keine Rede ist. Korrigiert mich, wenn das anders ist.

    • Offizieller Beitrag

    Das ist wohl nach meiner Erfahrung unterschiedlich. Einige Hersteller ( ich nenne hier keine Namen) von Sets verwenden z.B. das sog Silbermann-Sampling. So wie ich das verstanden habe gehen sie mit dem Frontmikrofon ( ob mono oder Stereo ist egal) dicht an die Pfeife. Zusätzlich werden ein oder mehrere Mikrofone für den Raumhall aufgestellt u d beide Signale gemischt ergeben tatsächlich einen sauberen Bass und Stereo-Hallanteile.

    Dann hat man die Möglichkeit im Phyical-Modelling Register auf der Stereoebene mit Panoramaregler beliebig zu positionieren.

    Hierbei treten weder bei der Aufnahme wie auch bei der Wiedergabe Phasenverschiebungen der Bässe auf. Der Bass wird durch die Positionierung mit gleicher Phasenlage links und rechts lediglich mit unterschiedlicher Lautstärke wiedergegeben.

    Als Folge klingt der Bass klar.

    Bei einem Sample-Set stehen die Mikrofone im Raum und nehmen die Orgel auf. Wenn sie in xy Position spielen Phasen keine Rolle.

    Was ich zu Beginn sagen wollte ist:

    Bei gleicher Mikrofonanordnung im Sanpling oder Physical-Midelling würden gleich gute oder schlechte Bässe wiedergegeben. Wobei sich im Physikal-Modelling leichter evtl Phasenunterschiede zw. links und rechts korrigieren lassen.

    Damit ist für klare Bässe aus meiner Sicht

    * die Mikrofonaufstellung und

    * Die Bearbeitungsmöglichkeit

    nicht aber das Verfahren selbst wichtig.

    Und die Anfangsfrage war ja öfter ob Physical-Modelling dem Samplingverfahren überlegen ist

  • Und die Anfangsfrage war ja öfter ob Physical-Modelling dem Samplingverfahren überlegen ist

    Zumindest technisch kann man das ja klar mit Ja beantworten. Zumindest was die Tonqualität betrifft. Eine Aufnahme ist ja immer mit Verlusten behaftet und spiegelt niemals genau das wieder was man aufzeichnet in allen Details. Mathematisch kann man jedoch alle Details so genau berechnen wie man will oder man in der Lage ist rechnen zu lassen. Aber dann haben wir ja wieder den Knackpunkt ob das Ergebnis nun besser klingt oder nicht, dass ist ja wieder eine ganz andere Frage, vermutlich eine Frage die man objektiv zwar Messen kann, es jeder persönlich aber anders empfinden wird :)

    Ich schrieb ja schon einmal, ich denke dass Physical-Modelling und Sampling nur Zwischenschritte sind und irgendwann die Kombination aus beiden das beste Ergebnis liefern wird. Die Aufnahmen als Gerüst perfektioniert mit Berechnungen. Aber dazu muss es erst einen Entwickler geben der das umsetzt. GO/HW/OrganTEQ/etc. stecken in ihrer Blase fest und können nicht über den Tellerrand schauen. Da wird also irgendwann ein anderer etwas neues bringen.

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    • Offizieller Beitrag

    Ich hatte heute das "Vergnügen!!!!!!" in einer Friedhofskapelle die Digitalorgel eines namhaften Herstellers mit Physistechnik zu hören und anschließend zu spielen.

    Ja, klingt nach Orgel, aber sehr synthetisch. Die Vorläufertöne sind deutlich vor den Klang gesetzt, Streicher klingen künstlich, die Schwebung ist klanglich desolat und Prinzipale strahlen nicht.

    Im Tutti ist die Orgel nicht lebendig. Sie klingt steril und makellos.

    Eigentlich fällt meine Beurteilung krasser aus als ich hier schreiben möchte. Doch als Friedhofsorgel tut sie vernünftig ihren Dienst. Bin schnell nach Hause und hab mich vom schönen Klang der C. Coll-Orgel verwöhnen lassen.

    Der Klangunterschied ist überdeutlich. Die Friedhofsorgel wurde wie man mir sagte von "Fachleuten" der Vertriebsfirma bestens intoniert.

    Der Organist fand den Klang schön. Auf die Frage ob er schon einmal ein Set mit HW oder GO gespielt hat verneinte er. Desgleichen ob er auf einer Pfeifenorgel gespielt hat. Auch nein.

    Meine Klangvorstellung erfüllte sie nicht im Mindesten. Aber dass ist ja nur meine persönliche Meinung.

  • ...sehr synthetisch. ..

    Eigentlich fällt meine Beurteilung krasser aus als ich hier schreiben möchte....

    Der Organist fand den Klang schön. Auf die Frage ob er schon einmal ein Set mit HW oder GO gespielt hat verneinte er. Desgleichen ob er auf einer Pfeifenorgel gespielt hat. Auch nein.

    Danke für deine offene Einschätzung, Rainer.

    Mir geht es nach eigenen Tests beim Händler gleich.

    Sampled-Thing.jpg

    • Offizieller Beitrag

    Ich will das System damit nicht platt machen. Ist nur mein Höreindruck.

    Für ganz allgemeine Choralbegleitung ist es gut geeignet weil man die Register auf den Raum anpassen und sich die Gemeinde über einen Orgelklang freuen kann.

    Orgelkonzerte würde ich nicht darauf spielen wollen.

    Wer sich zu Hause "seine" ganz individuelle Orgel damit bauen möchte kann es mit den verschiedenen Einstellmöglichkeiten tun. In einem Set passende Register inkl Hall etc aus einem anderen Set zu benutzen muss man sie einfügen, anpassen und ggf die ODF ändern. Das ist aufwändiger.

    Ein zweiter Punkt für eine Nutzung zu Hause ist wenn man die Orgel fast ausschließlich zum Üben benutzt und ein Konzert auf einer Pfeifenorgel oder sehr guten Digitalorgel spielt.

    Die Orgeln mit Physistechnik sind eben oft auch erschwinglich.

    Aber noch einmal: jeder entscheidet für sich was für ihn persönlich am besten gefällt.

    Ich hab nur meinen ,auch ganz persönlichen, Eindruck geschildert.

    Ich würde auch nie auf die Idee kommen jemanden seine Orgel, egal welches System, die er so liebt zu zerreißen. Hier diskutieren wir sachlich die Unterschiede der Systeme und geben je nach Wunsch und Vorlieben

    damit eine zusätzliche Entscheidungshilfe zum Kauf

    • Offizieller Beitrag

    romantische Orgeln gehen damit absolut nicht. Mag sein, dass Barockorgeln einigermaßen anzuhören sind. Nur wenn ich an die typischen Quintaden und Rohrflöten denke, die ja einen stark zeichnenden Charakter haben hege ich bissl Zweifel.

    Ich müsste mir solch eine Disposition anhören dann könnte ich aus meiner Sicht näheres sagen.

    Eins weiß ich sicher:

    Für mich käme diese Technik nicht in Frage. Weder in der Kirche noch bei mir zu Hause

    • Offizieller Beitrag

    Meine Klangvorstellung erfüllte sie nicht im Mindesten. Aber dass ist ja nur meine persönliche Meinung.

    Schön, dass ich nicht der Einzige mit dieser Meinung bin. :)

    Von Barockorgeln bin ich eher gewohnt, dass jede Pfeife in einem Register ein klangliches Individuum darstellt. Das habe ich bisher leider bei keiner Digitalorgel so wiedergegeben gefunden. Ich denke, am ehesten können solche Digitalorgeln vielleicht mit einer symphonischen Orgel verglichen werden. Zwar nicht mit dem Fundus an verfügbaren Orchesterstimmen, aber mit der extremen Ausgeglichenheit der Töne innerhalb jeden Registers. Jeder Ton hat da meist den exakt gleichen Klangcharakter, nur in der jeweils anderen Tonhöhe wiedergegeben. Das ist eben das, was technisch von je her am einfachsten umzusetzen war. Ich will jetzt nicht sagen, dass das langweilig klingt, aber es ist eben Geschmacksache und trifft meinen Geschmack auch nicht.


  • Von Barockorgeln bin ich eher gewohnt, dass jede Pfeife in einem Register ein klangliches Individuum darstellt.

    DAS ist es.

    Und dazu braucht man Sampling +....("Lebendigmachung"❗), relativ großen RAM und etwas Ladezeit.

    Darum kann physical modeling, Sweelinq...etc. weder Barock- noch Romantische Orgel, sondern nur etwas, das bei schönem Spieltisch wie Orgel AUSSIEHT.

    HartaberWahr ?