• ZITAT:

    "Na diesen Frust welchen man beim Üben hat wenn einige Stellen immer wieder nicht klappen und man kurz davor ist das Handtuch zu werfen. Oder wenn eine Stelle immer klappt und dann im Konzert das erste mal total schief geht........"

    Früher hatte ich VIEL Frust beim Üben, weil ich neben allem Trubel nur kurz dazu kam und dann schnell ALLES erwartete.

    Heute akzeptiere ich voll und ganz, dass das Einschleifen ins Unbewusste eine Menge Zeit, Konzentration und Willen erfordert.

    Also dass ich manche schwierigen Takte erst nach einer größeren Anzahl von Tagen in ihrer Struktur verstehe, dass es weitere, teils enorme Zeit braucht, um es einzuschleifen....und bis es ganz selbstverständlich aus dem automatisieren Nicht-Bewussten fließt, vergehen manchmal nochmals Wochen.

    Sobald man mit sich hadert, wird´s nicht besser, sondern wesentlich schlechter. Eine polyphone Struktur kann man nicht mit dem bewussten Teil der Gehirns voll erfassen und schnell spielen.

    Dazu ist unser bewusstes Denken ganz allgemein viel zu langsam und energieaufwändig.

    Es muss letztendlich fließen oder gar nicht. Jedes allzu stark Kontrollierende oder "Verfluchende" hemmt den Fluss.

    Wie gehts euch damit?

    • Offizieller Beitrag

    Das ist aus meiner Sicht nicht leicht und nicht ganz schlüssig zu beantworten.

    Z.B. Thema in Sequenzen

    Anfangs hab ich Note für Note abgelesen. Das dauert lange.

    Dann das Thema angeschaut und geguckt wo es hingeht und ob ein Tonartwechsel vorkommt.

    Einmal festgelegt wiederholt sich der Fingersatz von Sequenz zu Sequenz.

    Die Sequenzen ein paarmal gespielt und dann die Anfangstöne mitgesungen.

    Dann läuft die gesamte Sequenz einigermaßen.

    Man beschäftigt sich dann mit den weiteren Stimmen.

    Auch hier gucken wo die z.B. Akkorde hingehen, ob es Kadenzen sind etc.

    Akkord für Akkord langsam spielen. Langsam das Tempo erhöhen und jedesmal die Sequenzen mitsingen (mindestens gedanklich, besser reell)

    Wenn es dann einigermaßen läuft und flüssig wird versucht man sich selbst ganz bewusst zuzuhören und erwartet dabei schon immer im Voraus die nächsten Harmonien.

    Ist leichter gesagt als getan und dauert manchmal auch lange.

    Zu Übungszwecken kann man sich stellenweise Fugenthemen von J.S. Bach vornehmen. Immernur Stücke einer Fuge.

    Thema anschauen

    Wo geht es hin

    Anfangsfingersatz

    Spielen

    Mitsingen

    Begleit-Thema ansehen usw.

    Je mehr Themen man gespielt hat umso schneller erkennt man Figuren in dem Stück was man gerade neu einübt.

    Bin gerade dabei die Toccata der 5. Sinfonie von Widor mit meinen nicht ganz schnellen Fingern zu üben. Ob ich sie konzertreif hinkriege bezweifle ich eher. Vielleicht reicht es für zu Hause

    Und siehe da. Die Tonlagen der Melodienläufe folgen häufig dem Pedalthema.

    Singt man das Thema mit läuft die Figur und man muss sich um die Anfangslagen der weiteren Figuren mit Fingersatz kümmern. Dann wiederholt es sich wieder usw.

    Mitsingen, sich selbst zuhören in der stetigen Erwartung der folgenden Harmonien und Sequenzen hat sich für mich bewährt.

    Mir hilft auch sehr solch ein Stück immerwieder von einer CD zu hören

  • Ich habe die Erfahrung gemacht das man primär das gut und sicher spielen kann, was man geübt hat. Wenn jemand lange vierstimmige Choralsätze über, dann kann er das irgendwann sehr sicher spielen, auch bei unbekannten Stücken. Da der Aufbau ja im Prinzip immer gleich ist. Da hat man einfach die Erfahrung wie der Aufbau ist und muss auch nicht mehr jede Note so genau erkennen und zuordnen im Kopf.

    Wenn man nun also Choralsätze spielt, dann wird man sich an einer Fuge die einen ganz anderen Aufbau hat und anders funktioniert die Zähne ausbeißen und umgekehrt genau so. Natürlich kann man sich dann ein anderes Stück schneller erarbeiten, aber zum Kinderspiel wird es trotzdem nicht.

    Ich spiele überwiegend Manualiter Diese ist Stellenweise sechstimmig und ich habe da auch bei unbekannten Stücke keine Probleme. Wenn ich ein simples Duo spielen soll was nur im Wechsel zwei oder eine Stimme hat, dann kann ich daran verzweifeln. Zum einen weil der Rhythmus oft schon komplexer ist und bei zwei Stimmen hört man jeden Fehler und falsches Timing sehr viel stärker als bei einem sechstimmigen Satz.

    Davon abgesehen werde ich meinen eigenen Anspruch nie erfüllen können. Dieser ist nämlich die Perfektion und diese kann ich nicht erreichen. Es ist für mich immer schrecklich eine Aufnahme zu machen. Da sitze ich ewig und spiele es immer und immer wieder nur um dann in der Aufnahme zu hören dass dort etwas nicht perfekt war, dann klappt es aber eine andere Stelle ist etwas zu flott oder zu langsam oder man liegt mal daneben. Ein Stück zu spielen was fünf Minuten geht ohne einen falschen Ton ist ja fast unmöglich. Ich kann damit aber Leben, es wäre eher schlimmer wenn man selbst den Anspruch verliert besser werden zu wollen.

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  • Den größten Durchbruch bei mir hat das Erlernen und Verstehen von Choralharmonisierungen gebracht. Wenn das mal in Fleisch und Blut übergegangen ist, dann übt sich neue Literatur schneller ein, weil man weiß, welche Tonart gerade dran ist und mehr oder weniger instinktiv die richtigen Töne spielt. Und selbst wenn etwas schief geht, greift man vlt. nicht ganz so doll ins Gemüse, weil man während des Verspielens als "Soforthilfe" wenigstens halbwegs in der Tonart bleibt.

    Technisch oder strukturell anspruchsvolle Stellen gibt es jedoch immer, und ich kenne den Frust auch, den man auf dem Weg zum Platzen des Gordischen Knotens durchmacht. Aber danach fließen die Noten einfach nur noch aus den Fingern.

  • Das was frustriert ist eben dass der Fortschritt schleichend kommt. Man selbst merkt es ja nicht sofort. Irgendwann kommt man mal wieder zu einem Stück zurück was man damals nicht spielen konnte und nun plötzlich mühelos klappt. Aber die meiste Zeit müht man sich ab, alleine schon weil die Literatur die man spielt auch immer komplexer wird. Man wird also besser, merkt es selbst aber nicht weil die Ansprüche auch entsprechend komplexer werden.

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  • Harmonisieren und improvisieren sind im Grunde meiner Meinung nach einfacher. Also eine Melodie aus dem Gesangsbuch harmonisieren meine ich, ist leichter als einen vierstimmigen Satz zu spielen vom Blatt. Gleichzeitig bekommt man aus Literatur viele Ideen was für klingt und was man selbst übernehmen kann.

    Im Grunde geht das eine ohne dass andere nur sehr schwer. Ich habe mit dem harmonisieren auch angefangen. An Anfang war das nicht wirklich sinnvoll. Ich habe dann später angefangen mit Intervallen zu arbeiten für die zweite Stimme. Dann habe ich einfach die Melodie als Grundton genommen, dazu noch die Oktave und dazwischen die Quinte. So kann man schon ganz gut spielen und mit der Zeit nachdem ich stur beide Bände vom Bärenreiter durchgespielt habe musste ich nie mehr über etwas nachdenken. Da hatte ich alle Muster und Tonfolgen in den Fingern ?

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    • Offizieller Beitrag

    Das kann man auch so bewerkstelligen und ich wünsche dir dass es dir immer gut gelingt. Ist man sehr häufig mit Klassischer Musik beschäftigt, fallen häufig Harmonisierungen einiger Organisten- innen auf wo die Harmonisierung zwar grundlegend geht, aber zwischendurch Akkordfolgen gespielt werden, die harmonisch "holpern"

    Eine Erleichterung besteht vielleicht darin, dass viele Menschen durch Dauerhören von Schlager und Popmusik musikalisch an einem eher erwartungsarmen unteren Qualitätslevel von Musik angekommen sind.

    So gesehen ist eine allgemein gehaltene Harmonisierung schon sehr höherwertig und wird auch honoriert.

    Hab kürzlich ein Konzert mit Chor und Orchester gehört.

    Der Chor sang nicht homogen. Text verstand man überhaupt nicht. Harmonien waren teils grenzwertig .

    Es schwang Begeisterung mit.

    Das Publikum war begeistert.

    Standing Ovations.

    Ich hab gedacht ich bin im falschen Film.

    Sind die Zuhörer so anspruchslos?

  • Harmonien waren teils grenzwertig

    Im Sinne von "profan"?


    ...Melodie als Grundton genommen, dazu noch die Oktave und dazwischen die Quinte.

    Na, na, na....das klingt aber ganz gefährlich nach "verbotenen" Parallelen 8|

    Ich kannte mal einen Kantor, der sagte sinngemäß "Parallelen, die gut klingen, sind erlaubt". Darauf berufe ich mich immer, wenn es nicht zu vermeiden ist und dabei gar nicht mal schlecht klingt ^^

  • Na, na, na....das klingt aber ganz gefährlich nach "verbotenen" Parallelen 8|


    Ich kannte mal einen Kantor, der sagte sinngemäß "Parallelen, die gut klingen, sind erlaubt". Darauf berufe ich mich immer, wenn es nicht zu vermeiden ist und dabei gar nicht mal schlecht klingt ^^

    Es kommt darauf an. Im traditionellen Orgelspiel sind diese durchaus nicht gerne gehört. Aber spätestens in der Popularmusik sind sie ja fester Bestandteil und ohne wirst du bei vielen moderne Stücken Probleme bekommen entweder technisch oder klanglich.

    Wenn ich etwas schreibe oder improvisiere, dann kann es durchaus klanglich so gewollt sein. Da ist nichts verbotenes und auch die Aussage deines Kantors kann durchaus zutreffen. Besser mal eine Parallele spielen als irgendwelche Wege gehen aus denen man am Ende nicht mehr rauskommt. Viel wichtiger als die Frage ob man es machen sollte oder nicht ist in meinem Augen ob man sich darüber bewusst ist. Wenn du weißt dass du gerade eine Parallele spielst, dann ist das in Ordnung. Wenn du es aus versehen machst und vermeiden wolltest, dann nicht.

    Wie gesagt, es kommt primär darauf an welchen Klang man haben will. Wenn du als Ergebnis einen Strengen Bach Satz haben willst, dann lasse es aber :) Musiklehre ist am Ende nur ein Hilfsmittel welches man nutzen kann, aber nicht muss. Atonale Stücke haben auch ihren Reiz.

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  • War nur halbernst gemeint, ich schrieb das "verboten" daher in Gänsefüßchen. Mein Orgellehrer nahm es damit aber sehr, sehr genau. Da gab es nur die reine Lehre. Nicht einmal verdeckte Parallelen waren erlaubt. Aber so lernt man es halt.

    Im Übrigen halte ich es so ähnlich, wie du es beschrieben hast. Mit einem Unterschied: Improvisation ist überhaupt nicht meins. Ich muss mir das vorher durchdenken und aufschreiben. Spontane Begleitsätze aus dem EG ohne vorherige, niedergeschriebene Harmonisierung sind dann sehr "Basis-harmonisch".

  • Ich spiele auch lieber aus dem Choralbuch. Versuche mal Spontan etwas auf Stücke wie "Wer nur den lieben Gott lässt walten" oder "Ich wollt das ich daheime wär" zu machen... Das wird klanglich nicht das sein was jeder der die Stücke kennt erwartet. Zugegeben "Wer nur den lieben Gott lässt walten" spiele ich in allen Variation von a-Moll über g-Moll bis zu Fis-Moll (eine sehr schöne Fassung von Hermann Wenzel (spiel das besser nicht (das ist nicht gut für die Finger))). Ich hoffe ich habe alle Klammern aufgelöst :)

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