Was hat es eigentlich mit dem Faltungshall auf sich?

    • Offizieller Beitrag

    In jedem Raum entstehen Reflexionen, Überlagerungen, Interferenzen, stehende Wellen usw.

    Störungen sind vorhanden und niemand rechnet sie heraus. Einzig, das Spieltempo kann längere oder kürzere Schallimpulse erzeugen als die Laufzeit zur ersten Reflektion. Einen großen Einfluß haben die Register selbst und natürlich Raumtemperaturen sowie anwesende Personen.

    Eine Dry-Version, Mikrofone nahe an der Pfeife, mit Hall zu versehen klingt anders als eine Stereo oder Multikanalaufnahe. Ich habe meine Ohren eher im Raum als an der Pfeife.

    Wenn die Mikros an geeigneten Plätzen stehen scheint mir eine Aufnahme mit Originalhall wesentlich authentischer.

    • Offizieller Beitrag

    Das sehe ich auch so. Aber die spannende Frage ist, ob man überhaupt einen authentischen Klang haben möchte mit dieser fixen Mikroposition in der leeren Kirche, wo das Sampleset abgenommen wurde?

    Oder ob man stattdessen einen Klang haben möchte, der den gerade gewünschten Hallanteil und den gerade gewünschten Raumklang hat, ganz unabhängig davon, ob es authentisch ist oder nicht.

    Diese Frage wird hier offenbar ganz unterschiedlich beantwortet.

    Mir z.B. ist es wichtig, dass ich einen Klang habe, mit dem ich am besten üben und mich auf das Spiel an einer Kirchenorgel vorbereiten kann. Ob das authentisch ist oder nicht, ist mir ziemlich egal. Im Zweifelsfall übe ich auch lieber mit einer trockeneren Einstellung als ich sie in der Kirche antreffe. Und im Zweifelsfall auch lieber mit einem eher kleineren Set und weniger Registern als mit einem Riesenset.

    Von daher sind Dry-Sets, die ich mit unterschiedlichen Faltungshall-Einstellungen versehen kann (in meinem Fall aufgeteilt in 2xFront- und 2xRear-Lautsprecher, jeweils natürlich mit getrennten Halleinstellungen), für mich deutlich flexibler und genau das Richtige.

    Da bin ich absolut bei dir. Ich habe ja selbst auch einen Prozessor gesteuerten Hall zur Verfügung und gebe die Signale auf 2 Front und Rearkanäle aus.

    Damit kann ich das Originalset spielen, mir zum Üben den Hall verkürzen oder abschalten, sowie auch einen riesigen Dom mit unterschiedlicher Hörposition einstellen.

    Ist immer nur die ganz persönliche Frage welchen Aufwand man betreiben will und wie man sich den gewünschten Klang vorstellt.

    Noch deutlicher wird es bei den synthetischen Klangverfahren. Hier kann man mit digitalen Panpots (Panorama Potentiometer) quasi jede Pfeife/Register auf der Stereoebene verstellen und sich die Orgel nach eigenen Klangempfinden gestalten.

    In wie weit solche technischen Möglichkeiten wirklich sinnvoll sind mag ich nicht definieren.

    Eine Pfeifenorgel ist halt auch nur so wie sie konzipiert und im Raum intoniert wurde.

  • Zitat

    Noch deutlicher wird es bei den synthetischen Klangverfahren. Hier kann man mit digitalen Panpots (Panorama Potentiometer) quasi jede Pfeife/Register auf der Stereoebene verstellen und sich die Orgel nach eigenen Klangempfinden gestalten

    In Aeolus geht das wunderbar, man kann im Prinzip eine komplette Orgel intonieren und den Klang und die Position jeder Pfeife genau definieren. In der Praxis spielt diese Möglichkeit aber keine Rolle, einfach weil es keiner sinnvoll umsetzen könnte. Im Grunde ist es das gleiche wie bei einer echten Orgel. Man passt eben keine Pfeife an, sondern Parameter. Aber trotzdem wird auch da nur ein Meister es schaffen etwas gut klingendes zu intonieren.

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  • Wäre es eigentlich auch möglich einen fremden Faltungshall zu nehmen? Also Beispiel ein beliebiges Sample das entsprechend aufgenommen ist und dann den Faltungshall aus einem anderen Gebäude um zu simulieren wie diese Orgel dort klingen könnte, oder muss der Faltungshall irgendwo kompatibel sein?

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  • Hier ist ein kurzes Video, das ich kürzlich gemacht habe, das zeigt, dass man eine Orgel tatsächlich in verschiedenen Räumen aufstellen und auch verschiedene Hörpositionen simulieren kann. Dafür benötigen Sie eine Reihe von IRs und geeignete Software.

    Ich habe dieses Video mit der GrandOrgue und der Personal Edition von INSPIRATA mit meinem Sample-Set der Onderhorst-Kabinettorgel als Klangquelle gemacht.

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  • Welche Latenzen stellen sich denn ein, wenn man über so viele Programme arbeitet?

    Naja ich glaube das kann man nicht so genau sagen. Ich meine mal gehört zu haben bei einem normalen Hauptwerk Setup liegt die Latenz irgendwo zwischen 20-40 ms. Es ist nur die Frage wie man es als Nutzer wirklich messen könnte und ab wo diese Latenz gezählt wird? Ab dem Zeitpunkt wo man die Taste drückt bis zur Ausgabe oder von dem Midi Eingang bis zur Ausgabe?

    Orgeln haben ja auch als physikalisches Instrument oft eine recht hohe "Latenz" im Vergleich mit z.B einem Klavier. Der Tastendruck muss über die Traktur, meist noch über einen oder mehrere Barkerhebel (die verzögern wirklich spürbar), der Wind muss einströmen und dann kann es noch etwas dauern bis etwas zu hören ist. An unseren kleinen Orgeln wo die Taste direkt mit den Ventilen verbunden ist spielt sich recht Latenzfrei, an der großen Orgel wo der Barkerhebel (im Hauptwerk auch zwei) sitzen, da ist es gefühlt doch nicht sehr direkt.

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  • In GO kann man sich die Latenz anzeigen lassen. Mir gefällt es, wenn es deutlich unter 20 ms anzeigt. Bei 30 oder 40 ist es unangenehm.

    MIDI ist so einfach und datensparsam, das erzeugt keine Latenz, das ist in der Regel hauptsächlich die Soundkarte und natürlich die Einstellungen.

  • Martin hat es mal genau formuliert, wie man heraus bekommt, welche Latenz man hat - ein Video aufzeichnen, in dem man eine Taste drückt, dann kann man die Zeit messen, welche reale Latenz man hat (die Zeit zwischen dem drücken der Taste und erklingen des Tones). Da das aber keiner macht nimmt man einfach zum Vergleichen die Werte, die GO oder Hauptwerk anzeigen.

    Heute ist es mit einem Arduino ja recht leicht. Kleines Programm schreiben das ein Midisignal sendet (z.B einen Controllchange den GO dann auf einem anderen Kanal an den Arduino zurücksendet), die Zeitmessung beginnt und schaut wie viel Zeit vergeht bis GO das Midi Signal zurück gibt. Die Rückgabe dürfte vermutlich auch nicht schneller/langsamer sein als die Audioausgabe.

    Das Midi-Interface erzeugt eine Latenz. Deshalb soll man ja nicht mehr als zwei Midi-Interfaces in Reihe schalten.

    Oh ja und die Latenz ist teilweise heftig. Vor allem günstige Midi Keyboards mit USB sind extrem langsam. Ich habe bei meinen drei Manualen diese ja selber Midifiziert nach einigen Messungen. Die ursprüngliche Elektronik war rund drei bis viermal langsamer als mein Arduino Due. Natürlich muss man da fairerweise sagen während ein 8-16 bit Prozessor in einem Keyboard noch dutzende andere Dinge nebenbei machen muss, kann mein Controller mit optimierter Programmierung und passender Tastenmatrix quasi fast ohne Latenz arbeiten. Wenn man die Software und Technik kennt, dann kann ich mir das ganze sogar ausrechnen:

    8x24 Matrix vor der Abfrage jeweils 5 Mikrosekunden Pause, am Ende der Reihe noch einmal 500 damit die CPU nicht ständig voller Leistung fährt und USBMidi nicht Amok läuft und in Ruhe senden kann.

    Vermutlich hat man also eine Gesamtlatenz, die sich aus den eingestellten Puffern, dem verwendeten Midi-Interface und ggf. des Interfaces in der Orgel ergibt.

    Zumindest wer Wert auf die Latenz legt, der sollte die Finger von USB lassen. Meiner Erfahrung nach ist die Signallaufzeit bei Midi über USB um den Faktor 10 langsamer. Kommt aber vermutlich auch stark auf die Treiber/Technik an und wie die Auslastung ist. Ein normaler analoger Midi Port ist da viel direkter ohne viel Overhead. Die Frage ist nur wie Relevant sind dort Unterschiede die in 1-4ms Bereich liegen? Ich glaube wenn man spürt das es verzögert ist, dann sollte man handeln. Wenn das Spielgefühl stimmt kann es einem ja eigentlich egal sein.

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  • Welche Latenzen stellen sich denn ein, wenn man über so viele Programme arbeitet?

    Es hängt von der Hardware ab, was möglich ist. Ich verwende eine einfache Konsole mit einem NUC 8i5 im Kern unter Windows 10. Audio über den internen Realtek DA umwandler direct zu aktiven Monitoren.

    Der NUC unterstützt WDM/KS. Die Puffergröße in GO ist auf 64 Samples eingestellt bei 48000Hz Samplefrequenz. Gewünschte Latenz auf 0 ms eingestellt.

    Ich habe sowohl die Puffer von Voicemeeter als auch von Cantabile auf den "Default"-Wert von 512 gesetzt.

    So funktioniert es zuverlässig und es ist mir schnell genug.

    Es könnte wahrscheinlich noch etwas beschleunigt werden. Ihre Frage hat mich dazu veranlasst, den Eingangspuffer von Voicemeeter mal auf 128 Samples (=Minimumwert) zu setzen. Das scheint auch ohne Probleme zu funktionieren.

  • Ich habe jetzt einmal etwas mit dem Faltungshall gespielt, ganz spannend die Sache. Nun würde ich gerne unsere große Kirche einmal in einen solchen Faltungshall stecken. Wie genau müsste ich also vorgehen um dies zu realisieren?

    Ich gehe also mit einem Mikrofon und Aufnahmegerät in das Gebäude und was mache ich dann damit? Wo positioniere ich das Mikrofon und wo die Schallquelle? Was muss ich danach mit der Aufnahme noch machen? Vielleicht bekomme ich es mit eurer Hilfe ja brauchbar hin, so das ich das Ergebnis hier teilen kann.

    Hier einmal ein kleiner Plan vom Gebäude... Kommentare zur Qualität der Zeichnung ignoriere ich :)

    pasted-from-clipboard.png

    Das Kreuz ist der Altar, links daneben ist eine Empore und auf der Westseite die Orgelempore. Die schwarzen Punkte sind die Säulen (2 auf jeder Seite fehlen). Es soll eher eine Ahnung ermöglichen zum Aufbau :) Hier noch mal ein Foto was es verständlicher zeigtcsm_DSC_4066_bad2c7b637 (1).jpg

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  • Nun würde ich gerne unsere große Kirche einmal in einen solchen Faltungshall stecken. Wie genau müsste ich also vorgehen um dies zu realisieren?

    Ich gehe also mit einem Mikrofon und Aufnahmegerät in das Gebäude und was mache ich dann damit? Wo positioniere ich das Mikrofon und wo die Schallquelle? Was muss ich danach mit der Aufnahme noch machen? Vielleicht bekomme ich es mit eurer Hilfe ja brauchbar hin, so das ich das Ergebnis hier teilen kann.

    "Eine große Kirche in eine Faltungshalle zu stecken", ist zu ambitioniert. Mit einem IR können Sie simulieren, wie der an einem Ort erzeugte Ton an einem anderen Ort klingen würde. Um wie in meinem Video mit Inspirata virtuell durch einen Raum zu gehen, braucht man eine große Anzahl von IRs.

    Ich habe mal ein paar IR's in der Dorfkirche von Bennekom gemacht. Ein IR 24bit 88,2kHz belegte ca. 2,5MB.

    Inspirata hat 139GB für 37 Räume. Angenommen, ein IR in 192 kHz benötigt durchschnittlich ca. 5 GB, dann sind das durchschnittlich 750 IRs pro Raum und das deckt nicht einmal den gesamten Raum ab.

    Praktisch: Wählen Sie die Stelle in der Kirche, von der der Ton kommen soll, und lassen Sie dort einen Ballon oder ein anderes Impulswerkzeug platzen. Nehmen Sie den Ton an den Orten in der Kirche auf, an denen Sie zuhören möchten. Die Aufzeichnung ist dann eine .wav-Datei, die die Impulsantwort enthält.

    Zur Verwendung der Impulsantwort ist eine Software erforderlich. Solche Software ist in Form von VST-Plugins erhältlich. (Zum Beispiel (Free) ReverberateLE von Liquidsonics). Sie können es "Live" im VST-Host Cantabile verwenden, wie in dem PDF "Hinweise zur Verwendung von VST etc" beschrieben, das ich meiner Videonachricht beigefügt habe, oder es später mit einem geeigneten Audiobearbeitungsprogramm wie Audacity oder Reaper auf eine trockene Aufnahme anwenden.

  • Zur Verwendung der Impulsantwort ist eine Software erforderlich.

    Sorry. da habe Ich die einfachste Lösung ubersehen. GrandOrgue hat auch noch die option.

    Ich bin kein Fan davon, weil mich der Sound nicht überzeugt, aber auch weil der Gain-Wert vorher eingestellt werden muss. Das muss auf niedrigem Niveau sein. Ein (viel) zu hoher Wert dafür hat mich mal die Hochtonlautsprecher gekostet.

  • So wie ich es verstanden habe soll der Ton so schnell und laut wie möglich sein. Und die Art des Tons soll das Ergebnis beeinflussen. Es soll also ein Unterschied sein ob ich am selben Ort einen Luftballon platzen lasse, auf einem Ambos schlage, eine Kanone abfeuer oder klatsche. Wobei es scheinbar so ist bei schrillen Tönen das Ergebnis Brillanter wird, bei tiefen Schlägen eher Basslastiger... Das bedeutet im Umkehrschluss wenn ich das Perfekte Resultat finden will, dann wäre das Gebäude danach wohl ein Fall für den Abriss und ich vermutlich im Knast :)

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  • Die Impulsantwort von tiefen Frequenzen in großen Räumen ist ja physikalisch völlig anders als eines Knalls mit einem undefinierten Konklomerat von höheren.

    Ebenso spielen die Amplituden (maximalen Ausschläge) der verschiedenen Frequenzen eine große Rolle.

    Kein Wunder, dass die Faltungshallmodelle noch nicht sehr ausgereift sind.

    • Offizieller Beitrag

    Welchen Frequenzbereich habe die IR's abgedeckt?

    Die Aufnahme der IRs erfolgte eher pragmatisch als wissenschaftlich. Umso überraschter war ich über die teilweise doch ganz brauchbaren Ergebnisse. Die IRs sollten eigentlich im Downloadbereich hier zu finden sein. Zumindest waren sie das mal auf der alten Orgelseite. Da kannst Du Dir das Spektrum selbst analysieren.